Kamel oder nicht?
Bibelfenster zum 17. Oktober 2012:
Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Sie aber erschraken noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden?
Markusevangelium 10,23-26
Au weia! Heute Morgen in den Kirchen ist es ganz deutlich gesagt worden: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ Tja, jetzt würde ich von mir nicht wirklich behaupten, dass ich „reich“ wäre, aber ich besitze ein Auto, wohne in einer schönen Wohnung, mache Urlaub und hab für den Notfall zwar keine Millionen, aber ein paar Euro auf dem Konto. Wenn ich dann daran denke, wie viele Menschen, weltweit sowieso, aber auch hier in meiner Umgebung, weniger haben als ich, dann muss ich schon gestehen, ich bin doch reich. Damit hat sich das Thema Reich Gottes also für mich erledigt, es sei denn ich lasse alles, was ich habe und bin, hinter mir und werde selbst arm. Das kann ich nicht.
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Es muss doch eine andere Möglichkeit geben, denn ich bin gläubig und so ganz egal ist es mir nicht, ob sich mir das Reich Gottes mal eröffnet oder nicht. Wenn ich mal das Internet nach dem Kamel und dem Nadelöhr befrage, gibt’s ein paar Hintertürchen: Vielleicht wurde das Kamel falsch übersetzt und sollte eigentlich ein Schiffstau sein – auch das geht nur schwer durch ein Nadelöhr, aber allemal besser als ein Kamel! Oder das Nadelöhr bezeichnet eigentlich eine kleine enge Gasse in Jerusalem, durch die ein Kamel nur unter Schwierigkeiten und mit wenig Gepäck konnte – und sooo reich bin ich ja nun auch nicht. Aber das sind alles nur Mogelpackungen. Es hilft nichts. Jesus hat auch ganz deutlich gesagt: „Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!“ Und mein letzter Umzug hat ganz klar gezeigt, dass ich viel besitze. Tja, dann ist der Traum vom Reich Gottes wohl ausgeträumt, oder?
Plötzlich fällt mir die Reaktion der Jünger auf: Sie erschraken zunächst. Das bin ich auch! Und dann stellen sie eine Frage: „Wer kann dann noch gerettet werden?“ Diese Frage ist aus der Perspektive der Jünger gestellt, die um sich selbst besorgt sind. Aber ich glaube, es geht in dem Evangelium vielmehr um eine andere Frage: Wer SOLL gerettet werden? Und dazu hat Jesus bereits ganz deutlich Stellung bezogen: „Gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben.“
Wenn wir Jesus nachfolgen wollen, sollten wir aufhören, nur um uns selbst zu kreisen und uns nur um uns selbst Sorgen zu machen. Wir sollten uns um die kümmern, denen seine Botschaft gilt: den Armen, Witwen und Waisen, den Trauernden, den Einsamen, denen, die in Not und am Rand sind und viel zu oft übersehen und überhört werden. Und wenn wir uns alle um eben diese Menschen kümmern, dann ist die Haltung gegenüber dem Reich Gottes auch eine andere: Dann leben wir nicht einfach vor uns hin und warten ab, ob wir rein können oder nicht, sondern dann bauen wir jetzt und hier schon längst am Reich Gottes mit und helfen, das Reich Gottes unter den Menschen zu verwirklichen!
Bauen Sie mit? Oder sind Sie ein Kamel?
Pastoralreferentin Eva Schumacher