Maria „erhabene Tochter Sions“

Bibelfenster zum 1. Mai 2016

Jesus antwortete ihm: „Wer mich liebt, wird sich nach meinem Wort richten; dann wird ihn mein Vater lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. Wer mich nicht liebt, richtet sich nicht nach meinen Worten – und dabei kommen doch die Worte, die ihr gehört habt, nicht von mir, sondern von meinem Vater, der mich gesandt hat. Ich habe euch dies gesagt, solange ich noch bei euch bin. Der Vater wird euch in meinem Namen den Helfer senden, der an meine Stelle tritt, den Heiligen Geist. Der wird euch alles Weitere lehren und euch an alles erinnern, was ich selbst schon gesagt habe. Zum Abschied gebe ich euch den Frieden, meinen Frieden, nicht den Frieden, den die Welt gibt. Erschreckt nicht, habt keine Angst! Ihr habt gehört, wie ich zu euch sagte: ‚Ich verlasse euch und werde wieder zu euch kommen.‘ Wenn ihr mich wirklich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn er ist größer als ich. Ich habe euch das alles im Voraus gesagt, damit euer Glaube festbleibt, wenn es dann eintrifft.
Bibel 2000, Johannes 14,23-29

Maria Gleich zu Anfang des heutigen Evangeliums wird von der Bedeutung des WORTes gesprochen, einem Kennzeichen besonderer und konsequenter Liebe. Diese Bedeutung hat Maria für sich erkannt – „mir geschehe nach Deinem Wort“ und wurde beschenkt – „Und das Wort ist Fleisch geworden“.

Mit dem 1. Mai beginnt der sogenannte „Marienmonat Mai“. Schaue ich nostalgisch auf diesen Monat zurück, so wachsen in mir gute Erinnerungen. In der Tageswende vom 30. April auf den 1. Mai nahm mein Großvater, der Bürgermeister in Osnabrück, seine kleinen Enkel mit zum Maisingen am Lyradenkmal. Justus Wilhelm Lyra war ja der Komponist der Melodie des Liedes „Der Mai ist gekommen“. Eine wunderschöne Mitternachtsstunde. Und zuhause war der Maialtar bereitet. Zweimal im Jahr stand unsere Marienstatue geschmückt einen Monat lang im Wohnzimmer – im Mai und Oktober. Jeden Tag haben wir an diesem Hausaltar gebetet und gesungen. Vieles von diesen Gebräuchen ist verloren gegangen. Schade.

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Befreien wir aber unsere Marienfrömmigkeit von vielem unnötigem Beiwerk, sind wir nahe bei den anderen WORT-Religionen Judentum und Islam; auch den evangelischen Christen könnte dadurch Maria nahekommen.
Maria ist das erhabenste Beispiel eines glaubenden Menschen und kann daher eine wertvolle Anleitung zur grundlegenden Unterscheidung der christlichen Identität im religiösen Pluralismus geben. Während Maria für die Christen die Muttergottes und Mutter der Kirche ist, so ist sie für Juden die „erhabene Tochter Sion“. Für die Muslime ist Maria die Mutter Jesu, und der Koran erwähnt sie 34 mal.
Maria ist die einzige Frau, die im Koran namentlich erwähnt wird. Das heilige Buch der Muslime räumt keiner Frauengestalt so viel Platz ein, wie der Mutter Jesu. Sogar eine ganze Sure, nämlich die neunzehnte, ist nach Maria benannt. Siebzig Verse im Koran erwähnen sie. Damit erscheint ihr Name im Koran häufiger als im Neuen Testament.
Gott ließ Maria durch Engel mitteilen, er habe sie vor allen Frauen auserwählt und verkünde ihr ein Wort von sich, dessen Name der Messias Isa (Jesus) sei. Obwohl Muslime und Juden die zentrale Wahrheit der Göttlichkeit Jesu Christi nicht akzeptieren, halten sie Maria hoch in Ehren. Maria nimmt einen Sonderplatz ein innerhalb der abrahamitischen Religionen, nämlich im Judentum, im Islam und bei uns katholischen und orthodoxen Christen. Darum eine herzliche Einladung, den Monat Mai interreligiös und interkonfessionell mit Maria, der Mutter Jesus, zu gestalten. Zumindest in den Fürbitten der Gottesdienste. Auch das könnte eine Idee zur Integration der vielen Flüchtlinge werden.

Klaus Warning, Pastor in Teilzeit