Das Weltende
Bibelfenster zum 1. Mai 2011:
Der Engel aber sagte zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her, seht euch die Stelle an, wo er gelegen hat. Dann geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: Er ist von den Toten auferstanden.
Einheitsübersetzung, Matthäus 28,5-7
„Hier ist die Welt zu Ende!“ Dieser Satz kam mir nicht etwa in den Sinn auf einer Abenteuerreise zu den letzten Reservaten unberührter, von der Zivilisation weitgehend verschonter Natur, auf einem Sahara-Trip etwa oder in den Wildnissen Kanadas, sondern während einer Studienfahrt mit Schülern vor dem Schaufenster eines Ofens im Krematorium.
Ich schaute auf einen, in seiner menschlichen Gestalt noch deutlich erkennbaren, Leichnam, der dabei war, zu einem Häufchen Asche zu verglimmen. Wir waren am extremsten Punkt eines Lebens angekommen. Aus dieser Asche wird nichts mehr: sie wird zwar noch etwas feiner gemahlen und dann verstreut oder bestattet; aber in dieser radikalen Lehrstunde über den Tod war unausweichlich anschaulich, dass der Tod unser Leben in dieser Welt vernichtet.
Die Osterbotschaft, dass der Gekreuzigte, dessen Vernichtung die Jünger erlebt hatten, auferstanden ist und lebt, beginnt nicht bei der Begegnung mit dem lebenden Jesus, sondern wiederum an einem Punkt, wo nichts ist: Schaut euch die leere Stelle an, wo der Leichnam gelegen hat und fangt an zu glauben, dass er auferstanden ist – fordert der Engel die Frauen am Grab auf. Auch der Glaube an den Neubeginn des Lebens fängt mit einer Leerstelle, an einem Nullpunkt an.
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Wo nichts ist liegen Tod und Leben nahe beieinander. Wo nichts ist, kann ich das Ende meiner Möglichkeiten, aber auch das Vertrauen an die Möglichkeiten Gottes begreifen. Solche „Nichtigkeiten“, wo nichts mehr zu machen und zu retten ist, gibt es eine Reihe in meinem Leben. Der Glaube an die Osterbotschaft, so verstehe ich die Aufforderung des Engels, bedeutet, sich diese leeren Stellen anzuschauen. Sie sind nicht nur die extremen Endpunkte all dessen, was ich gestalten, verändern und verbessern kann, sonder zugleich Extrempunkte eines Gottes, der Leben hervorbringen kann aus dem Nichts. Wo für uns die Welt zu Ende ist, fängt seine Welt für uns in Vollendung an. Selten war mir der Glaube daran gewisser als vor dem kleinen Häufchen Asche im Krematorium.
Ina Eggemann