Der Sonntag unter den Monaten

gemütlicher Sessel
Bild: AdobeStock.com, Imane

Heute Nachmittag am Schreibtisch – ein wenig missmutig schaue ich in das schmuddlig-graue Novemberwetter hinaus. Irgendwie hab ich grad Lust auf gar nichts. Der Impulstag am kommenden Samstag ist fast fertig vorbereitet, die Spülmaschine ist ausgeräumt, der Briefträger hat mal wieder nur Kataloge gebracht, die schnell durchgeblättert sind. Die zwei, drei Mails hatte ich vorhin schon beantwortet – und für meinen Weihnachtsgruß bin ich noch nicht so richtig in Stimmung. Kurz gesagt: Ich langweile mich so ein bisschen vor mich hin.

Plötzlich kommt mir ein Satz wieder in den Sinn, den ich vor einigen Tagen auf einem Kalenderblatt gelesen habe: „Der November ist der Sonntag unter den Monaten“ – und den ich in dem Moment erstmal achselzuckend zur Seite gelegt habe. Wieso denke ich denn gerade jetzt wieder dran?

Langeweile – ja, als Kind waren die Sonntage langweilig für mich: Ich durfte nicht draußen spielen, naja, dann wurde das Sonntagskleidchen auch nicht dreckig; Vati guckte Sportschau, Mutti strickte etwas für uns Kinder. Oder wir machten Besuche bei irgendwelchen Onkels und Tanten, und dann unterhielten sie sich über Sachen, die ich nicht verstand. Naja, wenigstens gab es am Nachmittag leckeren Kuchen und manchmal auch eine Runde „Mensch ärger dich nicht!“ – aber ich war immer ganz froh, wenn der Sonntag dann auch wieder rum war.

Die Chancen und das Geschenk des Sonntags als der Tag, der anders ist, habe ich erst später erkannt. Er ist der Kontrapunkt zu aller Betriebsamkeit und Hektik des Alltags. Gerade weil „nichts los ist“ kann sich die Aufmerksamkeit auf anderes richten und werden Prioritäten vielleicht neu gesetzt. Das ist die Möglichkeit, wieder Kraft zu schöpfen und einmal durchzuatmen. Wenn es nur Werktage und Arbeit und Anforderungen gäbe – wie schlimm wäre das! Und so kommt es wohl auch nicht von ungefähr, dass Gott höchstpersönlich den Sonntag „erfunden“ hat, damit wir Menschen immer wieder neu in die Balance kommen.

Okay, dass viele inzwischen die Betriebsamkeit des Alltags nur durch eine andere Betriebsamkeit des Sonntags ausgetauscht haben – dafür kann der Sonntag nichts.

Über die Autorin

Andrea Schwarz ist Schriftstellerin, war lange Jahre pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und lebt im Emsland. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!

Und damit wären wir beim November und diesem Kalenderspruch. Ja, dieser Monat ist ein bisschen anders als die anderen Monate. In der Regel ist da auch nicht so besonders viel los: Der Garten ist schon winterfest, das Wetter lockt nicht unbedingt zu größeren Aktivitäten ins Freie, der Reigen der Adventsfeiern in Verein und Betrieb ist noch nicht eröffnet, stattdessen Totengedenken und Volkstrauertag – und Glühwein und Bratwurst auf einem eventuell schon aufgebauten Weihnachtsmarkt sind auch eher die Ausnahme. Geschenkeliste, Weihnachtspost und Großeinkäufe, das alles hat noch Zeit.

Ja, man kann sich ein bisschen langweilen in diesen Tagen … aber ehrlich gesagt: Wäre das denn wirklich so schlimm?

Man könnte aber auch die Chancen und Möglichkeiten nutzen, die der November genauso wie der Sonntag bietet. Wenn draußen nicht so viel los ist, was mich ablenkt, dann kann ich besser „nach innen“ schauen. Ich kann aus dem Hamsterrad der Betriebsamkeit einfach mal aussteigen, ein Gegengewicht zu all dem Trubel und der Hektik setzen. Und auch Prioritäten kann ich dann besser setzen, wenn mich meine „to-do-Liste“ nicht gerade erschlägt und mir Druck macht.

Und dann hätte vielleicht auch Gott in diesen Tagen eine Chance, in meinem Leben mal wieder einen Platz zu bekommen. So wie am Sonntag … eventuell …  

Aber man kann natürlich auch nach Mallorca fliegen und dort Urlaub machen …

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