„Durch uns wird die Kirche bunter, lebendiger und vielschichtiger.“
Alle vier Jahre sind hunderttausende Katholiken im Bistum Osnabrück dazu aufgerufen, ihre Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände zu bestimmen. Im November 2022 werden in den Pfarreien die Gremien neu gewählt. Die derzeitigen Leiterinnen von Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand in der Pfarreiengemeinschaft Christus König Osnabrück, Simone Kassenbrock und Dr. Ulrike Haucap-Osterhaus, blicken im Interview auf die vergangenen vier Jahre zurück und erklären, was die kommenden Jahre an spannenden Herausforderungen zu bieten haben.
Warum ist es wichtig, dass es einen Pfarrgemeinderat und einen Kirchenvorstand gibt?
Ulrike Haucap-Osterhaus: Die Gremien mit den gewählten Gemeindemitgliedern sind ein wichtiger Teil der Gemeindeleitung. Wir sind die Kirche, wir wollen sie mitgestalten und unsere Ideen einbringen.
Simone Kassenbrock: Es ist immer wichtig, dass Kirche von der Basis her gestaltet wird. Wir wollen unsere Lebenswelten, unsere Hintergründe und Erfahrungen in Christus König einbringen. Durch uns, unsere Berufe und unseren Background wird die Kirche doch viel bunter, lebendiger und vielschichtiger.
Welche Aufgaben haben die Gremien?
Ulrike Haucap-Osterhaus: Der Kirchenvorstand ist – ganz einfach formuliert – für die Finanzen der Pfarrei zuständig. Mit Hilfe des Rendanten, der die Buchführung übernimmt, und einiger Hauptamtlicher verabschieden wir den Haushalt und haben so den Überblick, welche finanziellen Möglichkeiten wir haben. Wir können mitentscheiden, wofür das Geld ausgegeben wird. Bei geringer werdenden Zuschüssen ist das gerade in dieser Zeit eine spannende Aufgabe.
Es gibt auch Ausschüsse. Hier kümmern sich die Mitglieder zum Beispiel um die drei Kitas, für die die Gemeinde verantwortlich ist. Die Mitarbeiterinnen sind bei uns angestellt. Wir sorgen gemeinsam mit dem Pastoralen Koordinator Dirk Schnieber dafür, dass es ihnen gut geht, dass sie gute Verträge und Arbeitsbedingungen haben oder dass Anschaffungen und Reparaturen in den Einrichtungen erledigt werden. Irgendwo ist immer irgendwas kaputt. Natürlich sind wir auch für alle anderen Gebäude der Pfarrei zuständig. Der Bauausschuss besichtigt regelmäßig alle Kirchen und Häuser, prüft, ob alles in Ordnung ist, und kümmert sich. Der IT-Ausschuss sieht auf die technische Ausstattung und Vernetzung der Pfarrei und den Datenschutz. Auch in die Christus-König-Stiftung entsendet der Kirchenvorstand zwei Mitglieder.
Simone Kassenbrock: Der Pfarrgemeinderat gestaltet die Seelsorge in der Pfarrei. Wir versuchen, alle Lebenswelten im Blick zu haben: Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren mit ihren jeweiligen Bedürfnissen. Das ist schon eine Herausforderung. Auch wir haben Ausschüsse, die Projekte anstoßen und inhaltlich arbeiten, zum Beispiel in den Bereichen Jugend, Liturgie, Feste, Mission-Entwicklung-Frieden, Kindergärten, Caritas oder Öffentlichkeitsarbeit. Mit dem Kirchenvorstand arbeiten wir gut zusammen: Die Gremien treffen sich und je ein Mitglied wird in die Sitzungen des anderen Gremiums entsandt. Das ist sinnvoll, wir sind ja auch thematisch eng miteinander verzahnt: Ohne Geld ist wenig Gestaltung möglich.
Wie haben Sie die vergangenen vier Jahre erlebt? Was wurde durch die Gremien in Christus König möglich gemacht?
Simone Kassenbrock: Wir sind mit viel Energie gestartet mit der Einweihung der renovierten Heilig-Geist-Kirche. Das war eine tolle Aufbruchstimmung in der Pfarrei, die wir gern weiter mitgenommen hätten. Wir haben uns in der ersten inhaltlichen Sitzung mit einer besseren Verzahnung der drei Kitas und der Gemeinde beschäftigt, hatten viele Ideen. Dann kam Corona und macht viele Pläne zunichte. Wir hatten viele Sitzungen, teilweise alle zwei Wochen und online, haben über die Zukunft der Gottesdienste, Hygienemaßnahmen sowie Chancen und Möglichkeiten der Kirche in der Pandemie diskutiert und entschieden. Das war teilweise anstrengend, aber auch eine starke Erfahrung an Leitungsbeteiligung und eine intensive thematische Auseinandersetzung. Der Spielraum, den wir hatten, war sicher nicht selbstverständlich. Ich habe für mich viel mitgenommen aus dieser Zeit.
Ulrike Haucap-Osterhaus: Die Renovierung der Kirchen hat auch den Kirchenvorstand sehr beschäftigt. Wir haben selbst stark mit angepackt, ich sehe mich noch wischen, spülen und Gardinen nähen. Neben der normalen Arbeit und den Corona-Herausforderungen haben wir in den vergangenen vier Jahren auch viele Personalwechsel begleitet, hatten einige Abschiede und Neuanfänge in der Pfarrei. Simone und ich haben häufiger mit Verabschiedungs- und Begrüßungsreden in der Kirche gestanden, als wir das zu Beginn vermutet hätten.
Was erwartet die Kandidatinnen und Kandidaten in den kommenden vier Jahren?
Simone Kassenbrock: Es wird sicher eine Zeit werden, in der so viel gestaltet werden muss wie noch nie. In der Kirche wird derzeit alles in Frage gestellt, und nicht nur auf Gemeindeebene werden heiße Eisen angepackt. Wir haben uns in dieser Legislaturperiode im Pfarrgemeinderat leidenschaftlich über den Sinn und die Bedeutung von Gottesdiensten, die Stellung der Frau in der katholischen Kirche und die Bewegung Maria 2.0, den Synodalen Weg, die Bedeutung von Laienpredigten oder die Statements der Kirche zu Homosexualität ausgetauscht. Diese Themen bleiben. Gleichzeitig sinken aber die finanziellen Zuschüsse, die Zahl der Gottesdienstbesucher und der Ehrenamtlichen. Es wird neue Gestaltungsspielräume geben, die gesucht und genutzt werden müssen.
Weitere Infos
Ausführliche Informationen und Materialien zu den Gremienwahlen gibt es auf der Internetseite: www.deinestimme-gerade.jetzt
Auch durch Corona hat sich in der Kirche und in unserer Pfarrei viel verändert. Es muss einiges wieder angeschoben werden. Wir werden danach anders wieder durchstarten. Und das hoffentlich weniger als bisher mit binnenkirchlichen Themen, die die vergangenen Jahre schon sehr dominiert haben. Auch die Ökumene wird ein Zukunftsfeld sein.
Ulrike Haucap-Osterhaus: Die Pandemie mit all ihren Herausforderungen wird uns sicher noch begleiten. Die fallenden Zuwendungen machen finanzielle Spielräume enger. Die neuen Kandidaten bekommen daher sicher mehr Möglichkeiten, können an wesentlichen Stellschrauben drehen und Entscheidungen treffen und begleiten. Wo geht es hin in Christus König? Was wollen wir hier stärken, wo wollen wir Geld und Zeit investieren – und wo nicht? Das wird eine absolut spannende Zeit.
Was sollten interessierte Gemeindemitglieder an Voraussetzungen mitbringen?
Ulrike Haucap-Osterhaus: Energie und Arbeitsfreudigkeit, Interesse an der Pfarrei und an der Kirche. Und Visionen – das kann sicher nicht schaden.
Simone Kassenbrock: Sie sollten auch eine große Offenheit und Wertschätzung für Menschen haben. Wir haben in unseren Stadtteilen so viele verschiedene Menschen und Lebensräume, das macht die Arbeit ja auch spannend und reizvoll, es weitet den persönlichen Horizont. Anspruch sollte sein, aus unserer eigenen Blase herauszugehen, über den Tellerrand zu blicken – das ist absolut bereichernd.
Interview: Astrid Fleute