… sitze ich auf der Bank im großen Pfarrhausgarten. Eben habe ich noch einmal die Blumen gegossen – wie so häufig in diesem Sommer. Allzu oft wird es wohl nicht mehr nötig sein. Und es wird nicht mehr viele Abende geben, an denen man noch im T-Shirt draußen sitzen kann.
Ich habe mir ein Bier aus dem Kühlschrank geholt, im Nest unterm Dach zwitschern sich die Schwalben noch „Gute-Nacht-Geschichten“ zu. Allmählich wird es dämmerig, über den Sträuchern geht langsam der Mond auf. Die Schwalben schlafen inzwischen, dafür huschen die beiden Fledermäuse um mich herum. Still ist es, nur die Kirchturmuhr schlägt die halbe Stunde, auf der Ems tuckert ein Schiff vorbei.
Ja, es gäbe noch genug zu tun am Schreibtisch. Aber das kann warten. Denn diese Stunde an einem der letzten Augustabende wird so schnell nicht wiederkommen.
Ein altes Gedicht kommt mir in den Sinn, irgendwann mal in der Schule gelernt:
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
(„Herbsttag“ aus „Das Buch der Bilder“ von Rainer Maria Rilke)
Rainer Maria Rilke hat es 1902 geschrieben … aber ich finde, es „stimmt“ noch immer. Und irgendwie hab ich das Gefühl, als ob ich an diesem Abend Abschied von einem „großen Sommer“ nehme. Jetzt kann und darf der Herbst auch kommen. Es war genug von dem „Einen“, jetzt darf auch das „Andere“ wieder sein.
Über die Autorin
Andrea Schwarz ist Schriftstellerin und pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!
Und als ich schließlich ein wenig fröstelnd ins Haus gehe – und dann doch noch am Schreibtisch lande – zünde ich die kleine Kerze auf dem Fensterbrett an, die seit Monaten nicht gebrannt hat.
Und das ist irgendwie auch schön.
Wie heißt es noch in der Bibel im Buch Kohelet? Es gibt für alles eine Zeit …
Andrea Schwarz