Ein Blick auf den Opferstock

Opferkasten
Bild: pixabay.com, maxmann

Als Jesus einmal im Tempel dem Opferkasten gegenübersaß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel. Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein. Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern. Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hergegeben, diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles gegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.

Markus 12,41-44

Ein Bild der Ruhe: Jesus sitzt im Tempel und blickt auf den Opferstock. Er schaut genau hin. Er lobt die arme Witwe. Sie hat im Verhältnis zu ihren Möglichkeiten mehr Geld in den Opferkasten geworfen als alle anderen. Gott ist also kein Buchhalter. Die innere Haltung ist wichtiger als der Kontostand.

Setzen auch wir uns in die Kirche und schauen einmal genauer auf die Opferstöcke. Sie sind – auch in Verbindung mit Sammlungen und Kollekten – viel mehr als unscheinbare Kästen. Sie haben eine lange und großartige Tradition. Schon im Alten Testament wird von einem „Kasten“ im Jerusalemer Tempel berichtet. Über die „Mutter aller Opferstöcke“ heißt es da: „Der Priester Jojada nahm einen Kasten, bohrte ein Loch in seinen Deckel und stellte ihn neben dem Altar rechts vom Eingang zum Tempel auf.“ Im Zweiten Buch der Könige wird beschrieben, wie keine Geringeren als der Schreiber des Königs und der Hohepriester die regelmäßige Leerung und Zählung übernahmen.

In der frühchristlichen Gemeinde gehörte die Gabe von Almosen zum kirchlichen Selbstverständnis. Die Empfänger waren zumeist Arme, Witwen und Waisen. Im Rahmen der Eucharistiefeier waren auch Naturalspenden üblich. Den Apostel Paulus kann man getrost als Erfinder der großen Hilfskollekten und Sammlungen bezeichnen. Im Rahmen des Apostelkonzils in Jerusalem erhielt er den Auftrag zu den Heiden zu gehen. Weiter heißt es: „Nur sollten wir an ihre Armen denken, und das zu tun, habe ich mich eifrig bemüht.“ In der Folge bewirbt er intensiv diese Armenkollekte und bringt das Geld – man höre und staune – persönlich in die Urgemeinde nach Jerusalem. Wer es ihm heute gleich tun will, findet alle nötigen Informationen unter dem Stichwort „Peterspfennig“ auf der Homepage des Vatikan. Da heißt es: „Sie können Ihren Beitrag dem Heiligen Vater jederzeit direkt zukommen lassen.“ Città del Vaticano – von analog bis digital!

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Noch vieles ließe sich erzählen beim Blick auf den Opferkasten: von der Blüte der Armutsbewegung bis zu den Auswüchsen des Ablasswesens im Mittelalter. Von der Neubesinnung auf das Kollektenwesen durch die Reformation bis zur heutigen – manchmal ärgerlichen – Vielzahl von Bitt- und Bettelbriefen in unseren Briefkästen und Mailordnern. Festzuhalten bleibt, dass Spenden und Kollekten nicht nur in Ländern ohne Kirchensteuern oder anderweitige Beiträge eine bedeutende Form der Kirchenfinanzierung und caritativen Arbeit darstellen. Festzuhalten ist auch, dass allen Spendern und Spenderinnen vom Investmentbanker bis zur armen Witwe Dank gebührt. Gleiches gilt den ehrenamtlichen Kollektantinnen und Kollektanten, die in der Tradition vom Hohenpriester bis zum Apostel Paulus ihren tradtionsreichen Dienst verrichten – bescheiden und nahezu unbemerkt, aber unverzichtbar und unbezahlbar!

Gerrit Schulte, Diakon