Ein Dialog der Liebe – Weihnachtspredigt 2024

Ein Herz an einem Tannenzweig
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In seiner ersten Weihnachtspredigt im Osnabrücker Dom hat Bischof Dominicus Meier dazu eingeladen, das Wort Gottes als Auftakt zu einem Dialog der Liebe zu verstehen. Jesu Geburt sei eine Einladung, ein Leben zu führen, das auf Gnade und Liebe gegründet ist. Die Weihnachtsbotschaft solle die Menschen ermutigen, „dem Leben zu trauen, weil Gott mitten in unserem Leben zugegen und zu finden ist“, so Bischof Dominicus. Die komplett Predigt können Sie hier nachlesen.

Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und das Wort war Gott.
Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen.

Johannes 1,1
Bischof Dominicus OSB
Bischof Dominicus predigte am 25. Dezember 2024 im Osnabrücker Dom.

Das Wort, das Gott zum Menschen spricht, steht am Anfang des Johannesevangeliums. Das Wort, das Gott zu jedem und jeder Einzelnen spricht, das er hineinsagt in die Lebensgeschichte eines jeden, mal flüsternd, mal unüberhörbar, mal diskret, mal fordernd, aber immer gegenwärtig, ob einer darum weiß oder nicht – dieses Lebenswort steht am Anfang und es steht im Mittelpunkt der Weihnacht.

Dieses Wort, das gleichsam den Grundton der je eigenen Lebensmelodie angibt, will zuallererst überhaupt gehört und erschlossen werden.

Im Anfang steht das Wort, das Gott zum Menschen spricht, und wo immer ein Mensch innerlich wach und bereit ist, dieses Wort wahr- und aufzunehmen, entwickelt es sich zu einem Dialog zwischen Gott und Mensch, einem Dialog der Liebe, der ein ganzes Leben hindurch in immer neuen und überraschenden Wendungen zur Vollendung drängt. Es ist ein Dialog, der nicht abschließt, sondern öffnet, der nicht einengt, sondern einbezieht.

Und doch sagen Menschen, die Geschichte der Welt beginne mit der Geschichte des Menschen. Der aktive Mensch habe die Welt gebaut, ihr ein Gesicht gegeben, sie nach seiner Vorstellung gestaltet. Darum sei der Mensch auch Herr der Welt und die Welt mit all seinen Errungenschaften sein Eigentum.

In Bethlehem erfahren wir aber etwas ganz anderes. Die Weihnachtsbotschaft erinnert, dass am Anfang der Geschichte nicht der Mensch steht, sondern Gott. Gott ist als Lebenswort zuerst bei den Menschen angekommen, bevor wir damit begannen, aufzubrechen und Leben zu gestalten. Es gäbe heute keine Welt und keine Menschen, wenn Gott sie nicht in seiner Liebe geschaffen, gestaltet und sich in die Welt ausgesprochen hätte. Darum ist die Welt weder Eigentum Einzelner noch eines Volkes; die Welt ist Eigentum Gottes, und das ist das überraschende: Mein Alltag ist Ort der Gegenwart Gottes.

Menschen sagen, wir müssten lernen, uns auf Biegen und Brechen durchzusetzen. Oberstes Ziel des Menschen seien Leistung, Erfolg und Ansehen. Es käme darauf an, nach oben zu gelangen – in Beruf und Gesellschaft. Um dieses Ziel zu erreichen, sei jedes Mittel recht, und alles andere müsse davor zurücktreten.

In Bethlehem erfahren wir etwas ganz anderes. Ein ohnmächtiges und schwaches Kind liegt im Stall – unbekannt und erfolglos. Dieses bei uns als Kind angekommene Wort Gottes ist nicht auf dem ersten, sondern auf den letzten Platz gestellt, an den Rand des Dorfes, an den Rand des Geschehens.

Dieses Kind aber schenkt allen Verlierern, Gescheiterten, Ängstlichen und Sich-überflüssig-Fühlenden Hilfe und Gnade, ein wirkliches Ankommen im Leben. Dieses Kind am Rand holt Menschen von den Rändern zurück in die Mitte, gibt ihnen Licht und Ansehen.

Die Weihnachtsbotschaft vermittelt einen neuen Lebensmaßstab: Es kommt darauf an, selbst ein „Kind Gottes“ zu werden und beim Kind in der Krippe anzukommen. Von diesem Kind im Stall zu Bethlehem geht eine große Spannkraft aus.

In die hoffnungslose Lage der Völker ist Jesus von Nazareth als Antwort auf viele Lebensfragen eingebrochen. Seine Geburt bringt noch einmal Spannung in das Leben der Menschen, die nach einer Antwort auf ihre Lebensfragen suchen und den Mut finden, der Weihnachtsbotschaft Glauben zu schenken.

Menschen sagen, wir sollten das Leben genießen und alles ergreifen, was sich uns bietet. Wir sollten das Heute auskosten, ohne an das Morgen zu denken; wir sollten allein das glauben, was wir sehen und anfassen können. Nur das sei Wirklichkeit, was vor unserer Vernunft bestehen könne. Wer sich Träumen hingibt, sei ein törichter Spinner und Phantast.

In Bethlehem erfahren wir etwas anderes: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“ Das ist die spannungsvolle Vision, ohne die die Welt nicht leben kann. Die Herrlichkeit Gottes in der Gestalt eines Kindes gibt uns Menschen Hoffnung und Zukunft. Jeder ist zu dieser Herrlichkeit berufen, jeder, der sich der Botschaft von Bethlehem öffnet und auch am Morgen noch der Vision der Engel vom neuen, zart aufbrechenden und friedvollen Leben glaubt. Die Herrlichkeit Gottes ist mitten unter uns und lächelt uns aus den Augen eines hilflosen Kindes an, ein bestechendes Lächeln ist Gott unter uns.
Ist dies nicht Grund genug zum Staunen?

Im Anfang des Lebens steht Gottes Wort an mich. Das ist die aufregende und hoffnungsvolle Botschaft von Bethlehem, die Vision, die auch am Morgen nach der lichten und stimmungsvollen Nacht des Heiligen Abends noch bleibt.

Es ist die heilsame Spannung der Weihnacht, die uns ermutigen will, dem Leben zu trauen, weil Gott mitten in unserem Leben zugegen und zu finden ist.

Es ist die Spannung, die uns immer wieder antreibt, aufzubrechen und ihm entgegenzugehen.
Nicht nur heute, sondern an jedem Tag!
In diesem Sinne wünsche ich uns gesegnete und spannende Weihnachtstage!