Gebetsstätte Heede
Manche Menschen gehen hier nicht einmal in die Messe. Sie fahren zwar nach Heede, aber nicht zur Eucharistiefeier, nicht zum Beichten und nicht zur monatlichen Nachtanbetung. Sie verweilen einfach still draußen bei Maria, an einem der zwei überdachten Andachtsorte, die hinter der alten Kirche St. Petrus für die Gottesmutter errichtet wurden. So wie der gut gekleidete Mann aus dem Cloppenburgischen, der neulich um 22.30 Uhr noch in der Bank saß und betete. Er hatte an dem Tag in Berlin geschäftliche Verhandlungen geführt und war mit dem Ergebnis zufrieden. Von der Autobahn aus war er direkt nach Heede gefahren, um der Muttergottes zu danken.
Gründe, nach Heede zu kommen, gibt es viele. Individuelle Beter tragen ihre persönlichen Anliegen vor, kommen wegen Krankheit, Trennung, Kündigung, Trauer um einen Angehörigen. Sie stellen Kerzen auf und verharren in den Bänken. Manche wählen dafür die offene Kapelle, in der Maria als Königin des Himmels dargestellt ist. Andere gehen einige Schritte weiter und lassen sich dort in den Bänken nieder, wo Maria als Königin der armen Seelen verehrt wird. Wenn jemand verunglückt ist, wird von Verwandten und Nachbarn ein Kreuz über den Friedhof getragen, entlang des Kreuzwegs.
Weitere Infos
Treue Pilger, die oft nach Heede fahren, nehmen regelmäßig an der Nachtanbetung teil, die einmal im Monat in der St.-Marien-Kirche der Gebetsstätte stattfindet und bei der das Allerheiligste ausgesetzt wird. Auch eine Lichterprozession findet statt. An diesen Tagen sind die zwei Beichtstühle in der Kirche St. Marien und die vier Beichtstühle in der Beichtkapelle besetzt. Nichts, was gesprochen wird, kann nach außen dringen: Die Türen der Beichträume sind dick gepolstert.
Dann gibt es die kirchlichen Gruppen, die eine Pilgerfahrt nach Heede unternehmen und sich von einem der Gästeführer die Gebetsstätte zeigen lassen. Auch Reisende, deren Bus auf dem Weg zur Meyer Werft einen Abstecher zur Gebetsstätte macht, finden sich in Heede ein. Die Touristen seien oft sehr erstaunt über die Geschichte des ihnen unbekannten Dorfes mit der alten Kirche von 1484, der 1977 eingeweihten neuen Kirche St. Marien, den zwei Andachtsorten und dem Marienpark, erzählt Gästeführerin Thekla Brinker.
Bei der ersten Begegnung wundert es die Menschen, dass in Heede die Muttergottes auf zwei verschiedene Arten dargestellt ist. Beide Andachtsorte werden von Betenden aufgesucht und haben ihren eigenen Reiz. „Danke“ steht auf den dicken Kerzen, die in der Kapelle aufgestellt wurden, in der Maria als Königin der armen Seelen verehrt wird. Die dünnen Fürbittkerzen flackern im Wind. So, wie die Marienfigur mit ihren betenden Händen vor der roten Backsteinwand steht, wirkt sie ein bisschen verloren und sehr zart, doch sie trägt eine Krone, die sie als Königin ausweist. Die Besucher finden Platz in mehreren Kirchenbänken, die Anlage ist überdacht.
An der anderen Andachtsstelle, die näher zur Pfarrkirche St. Petrus hin liegt, steht eine andere Figur; sie ist dem Gemälde nachempfunden, das in der Gebetsstättenkirche St. Marien hängt. Auch diese Marienstatue trägt als Königin des Weltalls eine Krone. Sie hat das Jesuskind auf dem Arm und hält eine Weltkugel in der Hand. Maria wirkt ernst und verschlossen. Auch hier sind viele Kerzen aufgestellt, sitzen Beter in der Bank, legen Blumen für Maria hin. Die Statue hat so gar nichts von einer mild lächelnden Gottesmutter. „Die will in Heede einfach ernst gucken“, kommentiert Thekla Brinker.
Brinker, die auch Pfarrgemeinderatsvorsitzende ist, stammt aus dem Nachbarort Rhede, lebt aber seit 33 Jahren in Heede. Die 58-Jährige gehört zum Team von insgesamt zehn Gästeführern, die Besuchern die Gebetsstätte nahebringen, und kann sich auch noch an Jahre erinnern, als die Pilgerbusse auf dem Parkplatz kaum Platz fanden und die Feuerwehr den Verkehr regeln musste. Viele Menschen zog es zu dem Ort, an dem nach den Aussagen von vier elf bis 13 Jahre alten Mädchen die Muttergottes erschienen war, vom 1. November 1937 an bis zum 3. November 1940, insgesamt über 100-mal. Als Königin des Weltalls und Königin der armen Seelen wolle sie verehrt werden, habe die Marienerscheinung den vier Kindern gesagt.
Das brachte schon am Anfang, im November 1937, viele Menschen auf die Beine, die Kunde hatte sich so schnell verbreitet, dass Hunderte Gläubige nach Heede pilgerten, um sie zu sehen: die Königin des Weltalls und der armen Seelen – und dies zu einer Zeit, in der Hitler den Krieg um die Weltherrschaft vorbereitete und die Nationalsozialisten bereits die Emslandlager errichtet hatten. Die Nazis versuchten ab Mitte November, die Zufahrtswege nach Heede abzusperren. Die Menschen versuchten, die Absperrungen zu umgehen und an anderen Stellen über die Ems zu gelangen. Die Kinder wurden in der Psychiatrie in Göttingen untersucht, kamen erst im Januar 1938 wieder nach Hause.
Klar, erzählt Brinker, es gebe auch Leute, die sagen, die Mädchen hätten es erfunden oder den Kindern sei das in den Mund geschoben worden. „Das sind Einzelne“, sagt Brinker. Sie sehe lieber die anderen, die mit Vertrauen und Hoffnung zum Beten nach Heede kämen. Manche besuchen die Nachtanbetung, die an jedem ersten Samstag im Monat um 20.30 Uhr beginnt, andere beten im Marienpark den Rosenkranz, inspiriert von den Darstellungen des Künstlers Michael Franke.
Heede ist kein offizieller Marienwallfahrtsort, aber als Gebetsstätte anerkannt. Und das ist Brinker wichtig: in Heede werde viel gebetet und gebeichtet. Oft sei die Kraft des gemeinsamen Gebetes spürbar. „Die Leute, die hierherkommen, gehen anders nach Hause.“