Er öffnet Fenster in den Himmel
Auf dem Tisch an der Wand reihen sich mehr als zwei Dutzend kleine Gläschen aneinander, alle frisch geputzt. In jedem steht mindestens ein Pinsel, wenn nicht zwei oder drei. Manche sind eher buschig, andere tragen nur ein paar Härchen. Die sind dann für die ganz feinen Striche. Die Utensilien sind das Handwerkszeug von Pater Franz Beer. Der Kapuziner malt Ikonen – wobei es eigentlich heißen müsste: Er schreibt Ikonen. Dem Ordensmann sind solche Unterschiede nicht besonders wichtig. Er selbst sagt nur: „Ich pinsele“.
Aber egal ob man jetzt schreiben, malen oder pinseln sagt: Der Ordensmann mit dem grauen Bart hat es durch die vielen Jahre zu einer gewissen Kunstfertigkeit gebracht. Davon zeugen die etwa 40 Werke, die in seinem kleinen Atelier stehen: ein Raum im Erdgeschoss eines der Häuser, die sternförmig um das Schloss Clemenswerth in Sögel herum gebaut sind. Die Ikonen lagern in den Schränken oder stehen auf Staffeleien.
„Das sind ganz schöne Werte“, sagt Pater Franz, wobei er nicht das Materielle meint, auch wenn das Gold, das den Bildern einen leuchtenden Schrein verleiht, echtes Blattgold ist. Eher denkt er an die vielen Stunden, die er in jedes Werk hineingesteckt hat. Denn um eine Ikone zu fertigen, sind viele verschiedene Arbeitsschritte nötig, erklärt der 71-Jährige und holt eine der Holzplatten hervor. Darauf ist weiß der Umriss von Maria mit dem Kinde zu sehen, mit Bleistift zeichnete er das Gewand und die Gesichter vor. Der Hintergrund ist rot. „Da kommt dann das Blattgold drauf“, sagt Pater Franz. Bis er dieses Stadium erreicht hat, war aber schon viel Arbeit nötig. Denn auf die schwere Holzplatte musste er erstmal 15 bis 18 Kreideschichten aufbringen, die er danach fein abschmiergelt, bis sie spiegelglatt sind. „Damit bin ich einen ganzen Tag lang beschäftigt.“ Erst danach kann er überhaupt zu Stift und Pinsel greifen.
Und auch das Malen oder Schreiben an sich ist natürlich zeitaufwendig. „Am schwierigsten sind die Augen“, sagt er. Bis er da den richtigen Ausdruck im Bildnis hat, braucht es Geduld.
Auch die Farben sind nicht einfach aus dem Malkasten. Er mischt sie immer noch selbst, sagt er und öffnet eine Schublade: Döschen mit bunten Aufklebern auf den Deckeln kommen da zum Vorschein. Gefüllt sind sie mit Farbpigmenten, also Pulvern aus verschiedenen Materialien. Diese Pigmente rührt er mit Eigelb an, um den gewünschten Farbton zu bekommen. Auch das klappt nicht immer gleich. „Da muss man probieren, bis man den richtigen Farbton hat. Manchmal rühre ich die Farbe drei, vier oder fünf Mal an, bis das Verhältnis richtig ist.“
Weitere Infos
Im Schloss Clemenswerth in Sögel gibt es eine kleine Gemeinschaft aus vier Kapuzinerbrüdern. Sie betreuen die Kapelle und feiern dort täglich den Gottesdienst. Auch stehen sie für persönliche Gespräche und Beichte zur Verfügung. Weitere Infos finden Sie hier.
Bevor die Ikone dann an der Wand hängt, muss sie noch mehrere Monate ruhen, um zu trocknen. Auch da viel passieren, es können Risse im Holz entstehen. Dann war alle Arbeit umsonst.
Pater Franz stammt gebürtig aus der Gegend von Pforzheim in Baden-Württemberg. In seinem Ordensleben hat er schon viel erlebt, war unter anderem zwei Jahre auf einer Missionsstation in Mexiko, „buchstäblich in der Pampa“. Besonders erfüllend war für ihn die Zeit als Seelsorger im Gefängnis, wo er Straftäter betreute.
Das Malen von Ikonen war erst ein Hobby, jetzt ist es seine Hauptbeschäftigung. „Ich habe einen Draht zu den Wüstenvätern“, sagt er – also zu den Männern, die im frühen Christentum als Einsiedler in die Wüste gingen. Bei der Beschäftigung mit diesen Lebensgeschichten kam er auf das Thema und begann, sich für diese Welt zu faszinieren.
Wie man eine Ikone schreibt, hat Pater Franz in mehr als 20 Kursen gelernt. Wobei es nicht nur um die Technik allein geht. Fast noch wichtiger ist es, welche Gedanken dahinterstecken. Denn Ikonen zu schaffen ist nicht nur Handwerk, es ist Gebet und Meditation. So kann er kann nicht einfach nach Gutdünken eine Ikone gestalten, es gibt Vorgaben, wie die Figur dargestellt werden soll. Die Fluchtlinien kommen auf den Betrachter zu, die Ikone wirkt dadurch immer zweidimensional – und vermittelt einen Eindruck von Raum- und Zeitlosigkeit.
Regeln gibt es auch bei den Farben. Denn es ist nicht egal, welcher Farbton wo verwendet wird. Maria zum Beispiel wird in Blau oder Rot dargestellt. Das kommt daher, dass jede Farbe ihre eigene Bedeutung hat, auf Ikonen wird nichts dem Zufall überlassen: Das Weiß beispielsweise steht für Auferstehung und göttliches Licht, Rot für das Himmlische und Göttliche, Blau und Grün für das Irdische und Weltliche. Auch die Anzahl der goldenen Sterne auf Marienikonen ist nicht frei gewählt: Es sind drei, als Zeichen der Jungfräulichkeit vor, während und nach der Geburt.
Schließlich sind es eigentlich keine Bilder, die da Pinselstrich für Pinselstrich entstehen. Es ist die „Abbildung einer transzendenten Welt“ sagt Pater Franz – wie ein Fenster in den Himmel. Und mit seinen vielen Pinseln, dem Holz und den Farben öffnet Pater Franz diese Fenster für die Menschen.