Zulassungsfeier zu den Sakramenten des Christwerdens

Fastenmeditation 1

1. Fastensonntag, 14. Februar 2016

Lesung
Am Tag darauf wollte Jesus nach Galiläa aufbrechen; da traf er Philippus.
Und Jesus sagte zu ihm: Folge mir nach! Philippus war aus Betsaida,
dem Heimatort des Andreas und Petrus. Philippus traf Natanaël
und sagte zu ihm: Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz
und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus aus Nazaret, den
Sohn Josefs. Da sagte Natanaël zu ihm: Aus Nazaret? Kann von dort
etwas Gutes kommen? Philippus antwortete: Komm und sieh!
Jesus sah Natanaël auf sich zukommen und sagte über ihn: Da
kommt ein echter Israelit, ein Mann ohne Falschheit. Natanaël fragte
ihn: Woher kennst du mich? Jesus antwortete ihm: Schon bevor dich
Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen. Natanaël
antwortete ihm: Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von
Israel! Jesus antwortete ihm: Du glaubst, weil ich dir sagte, dass ich
dich unter dem Feigenbaum sah? Du wirst noch Größeres sehen. Und
er sprach zu ihm: Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel
geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen über dem
Menschensohn. Joh 1,43-51

Jesus findet Philippus, Philippus findet Natanaël. Schon vorher hatte Jesus
Andreas, Johannes und Simon gefunden.
Diese Berichte des Suchens und Findens gehören zu den faszinierendsten,
den anziehendsten in der Geschichte Jesu mit den Menschen. Denn sie haben
so viel mit unseren eigenen Erfahrungen zu tun, besonders mit Erfahrungen
von Menschen wie Ihnen, liebe Kandidatinnen und Kandidaten für die Zulassung,
die auf sehr verschiedene Weise den Glauben gefunden haben, die auf
verschiedene Weise Jesus begegnet sind und sich von ihm und seiner Kirche
haben anziehen lassen. Einige ganz neu, einige wieder neu, einige von einem
anderen christlichen Weg neu in die katholische Kirche.

Immer waren Personen im Spiel wie bei Natanaël der Philippus, der ihn
trifft, ihn findet. Vorher waren es Andreas und Johannes, die zuerst von
Johannes dem Täufer angesprochen waren und dann von Jesus. Und sie wiederum
treffen und finden den Bruder des Andreas, den Simon, den Jesus später
Petrus nennen wird, denn er will ihm sagen: In dir steckt mehr als Simon,
der Fischer; du wirst Petrus sein, der Fels, der Halt und Orientierung gibt und
die anderen im Glauben stärkt. Das tun die Nachfolger des Petrus, die Päpste,
bis heute.

Auch Sie, liebe Kandidaten, haben sich ansprechen lassen – wie wir alle, die
wir hier sind, uns irgendwann in unserem Leben neu ansprechen lassen mussten,
nachdem wir als kleine Kinder getauft worden sind. Sie, die Sie heute
gekommen sind, haben als Erwachsene einen neuen Schritt auf Jesus und die
Kirche zu getan, der sich in den Sakramenten der Taufe, der Firmung und der
Eucharistie festigen soll. Sie haben sich anziehen lassen von Jesus und seiner
Kirche durch Personen aus Familie, Freundeskreis, Gemeinde oder durch
Erfahrungen, die Sie wach gemacht haben für Gott und seine barmherzige
Liebe.

Schauen wird noch einmal auf das Evangelium. Philippus wird von Jesus
gefunden, und er begreift ganz schnell. Sonst könnte er nicht sofort zu
Natanaël sagen: "Wir haben den Messias gefunden." Sonst könnte er dem
Skeptiker Natanaël und dessen "Kann aus Nazaret etwas Gutes kommen?"
gegenüber nicht so klar und deutlich bleiben: "Komm und sieh!" So hatte
auch Jesus den Andreas und den Johannes in die Nachfolge eingeladen.
Interessant ist, dass Philippus später eher der langsamere ist, der nicht sofort
begreift oder erst noch Fragen stellt. Aber hier agiert er spontan. Wie so oft
im Leben liegen zögerliche und spontane Entscheidungen dicht beieinander.
Und dann die tiefsinnige Begegnung Jesu mit Natanaël. Natanaël in seiner
ganzen Skepsis lässt sich überwältigen von der Erfahrung, dass Jesus ihn
schon gesehen hat, bevor Philippus ihn rief. Er bricht sofort in Staunen aus:
"Rabbi, du bist der Sohn Gottes, der König Israels" – was auch immer er
zunächst darunter versteht.

Auch das gilt ebenso für Sie, die Sie sich heute in unserem Dom eingefunden
haben. Lange, bevor Ihnen der Gedanke an Taufe, Konversion oder Firmung
kam, hat Jesus Sie schon gesehen, angesehen, Ihnen Ansehen gegeben und
so Ihre Entscheidung vorbereitet. Nicht allein durch Menschen werden wir von
Christus angezogen, sondern von ihm selbst, durch seine Lebendigkeit.
Jesus verspricht dem Natanaël: "Du wirst noch Größeres sehen." Dieses
Wort vom Größeren kommt im Johannesevangelium häufiger vor. Es öffnet
eine weitreichende Dynamik, denn es besagt: Du wirst Gott, du wirst mich
immer wieder anders und größer erfahren: größer als deine Schuld, größer als
dein Leiden, größer als deine Freude, größer als dein Herz. (So heißt es später
im 1. Johannesbrief; das ist auch mein Wahlspruch als Bischof.) Auch wenn
wir Gott gefunden haben, bleiben wir doch immer unterwegs zu ihm.

Und so stehen Sie und eigentlich wir alle erst am Anfang eines Weges, der
uns Gott und Christus, auch seine Kirche, immer wieder neu zeigt, immer
wieder offenbart und immer wieder neu entdecken lässt. Niemand hat durch
Taufe, Firmung und Kommunion schon alles erreicht, und niemand ist mit der
Suche nach Gott fertig, denn dann hätte er ihn als Besitz. Nein, das Abenteuer
beginnt erst und geht immer auf neue Weise weiter.

Bemerkenswert ist auch, was Jesus seinem Wort an Natanaël hinzufügt:
"Ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen
sehen über dem Menschensohn." Damit erinnert er an die alte Geschichte
von Jakob, dem Erzvater des Volkes Israel, als er auf einem harten Stein schlief
und von der Himmelsleiter träumte, auf der die Engel von Gott her niederund
aufstiegen, und Gott ihm für seinen weiteren Weg die wunderbare
Verheißung gibt: "Ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst …
ich verlasse dich nicht, bis ich vollbringe, was ich (dir) versprochen habe." (Gen 28,15)

Nichts anderes ist uns allen verheißen, denn der Traum Jakobs hat
sich durch das Kommen Jesu erfüllt. Er ist der Gott-mit-uns als lebendige
Person, als lebendige Himmelsleiter, als lebendiges Band zwischen Gott und
Mensch.

Liebe Schwestern und Brüder, unsere neuen Kandidatinnen und Kandidaten
für die Sakramente haben sich faszinieren und anziehen lassen von diesem
Gott, der sich den Menschen zuwendet, von diesem Gott, der barmherzig ist
von Geschlecht zu Geschlecht. Denn was erlebten denn die neu berufenen
Jünger Andreas, Johannes, Petrus, Philippus, Natanaël und die anderen, als
sie mitgingen und sahen? Sie erlebten diesen Gottes- und Menschensohn als
barmherzigen, als zugewandten, als aufrichtenden, als heilenden, als einen,
der nicht von oben herab handelt, sondern der auf Augenhöhe ging mit Sündern,
Kranken, Heilungsbedürftigen, der ihnen die Füße wusch, um sich klein
zu machen mit den Menschen und für die Menschen. Deshalb folgen sie ihm
und lernen von ihm, selbst barmherzig zu sein, wenn auch auf nicht leichten
Wegen und auf Umwegen.

Auch Sie, liebe Schwestern und Brüder, die Sie getauft und gefirmt werden
wollen, sind IHM gefolgt, angezogen von dieser Barmherzigkeit und Liebe
Gottes, des Vaters, und seines Sohnes in seinem Geist. Und wenn Ihnen nach
der Taufe gesagt wird – oder schon gesagt worden ist: "Dieses Taufkleid,
diese Bekleidung, dieser Taufschal soll dir ein Zeichen sein, dass du Christus
angezogen hast", dann wird aus dem Angezogensein, aus der Faszination
ein Angezogensein als Umhüllung von Christus, wird der Glaube an ihn zum
Kleid, um selbst seine Rolle in dieser Welt zu spielen. Sie sollen als neue
Christen Christus in der Welt darstellen und in seiner Person
und in seinem Namen denken, sprechen und handeln, wie er gedacht,
gesprochen und gehandelt hat, nämlich barmherzig, aufrichtend und ermutigend.

"Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist!" (Lk 6,36),
"Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!" (Mt 9,13), so ruft er uns zu, so ruft
er es Ihnen zu. So sollen Sie in Zukunft mit ihm leben in einer Welt und einer
Umgebung, die oft so unbarmherzig und anonym ist.

DANKE für Ihr Zeugnis für uns alle, die wir schon so gewohnte Christen
sind! DANKE allen, die Sie begleitet und vorbereitet haben aus Familie,
Freundeskreis und Gemeinde! Die Barmherzigkeit Gottes begleite
Sie weiterhin und ziehe Sie immer wieder an, damit Sie und wir alle
immer mehr zu glaubwürdigen, anziehenden, einladenden Christen werden. Amen.

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