Gott lässt uns nicht im Stich
Freut euch mit Jerusalem und jauchzt in ihr alle, die ihr sie liebt! Jubelt mit ihr, alle, die ihr um sie trauert, auf dass ihr trinkt und satt werdet an der Brust ihrer Tröstungen, auf dass ihr schlürft und euch labt an der Brust ihrer Herrlichkeit! Denn so spricht der Herr: Siehe, wie einen Strom leite ich den Frieden zu ihr und die Herrlichkeit der Nationen wie einen rauschenden Bach, auf dass ihr trinken könnt; auf der Hüfte werdet ihr getragen, auf Knien geschaukelt. Wie einen Mann, den seine Mutter tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost. Ihr werdet das sehen und euer Herz wird jubeln und eure Knochen werden sprossen wie frisches Grün. So offenbart sich die Hand des Herrn an seinen Knechten.
Jesaja 66,10-14c
Was für eine Ermutigung, die uns dieser Text zuspricht! Der Prophet Jesaja lebt in einer schwierigen Zeit, in der die persische Oberhoheit das Land besetzt, angedeutet wird diese Situation allein durch den Begriff der Trauernden. Auch wenn die Israeliten mittlerweile zurück in Jerusalem sind, ist von einer Heilszeit nichts zu spüren. Und dennoch ruft Jesaja zu: „Jubelt mit dieser Stadt, alle, die ihr um sie trauert“. Die Trauernden dürfen jubeln und sich freuen, auch wenn Trostlosigkeit sie umgibt. Sie werden sogar dazu aufgefordert mit diesem antithetisch wirkenden Satz, denn: Warum sollen denn diejenigen mit dieser Stadt jubeln, die gerade um sie trauern?
Israel ist ein Land voller Gegensätze – das durfte ich auch vor 15 Jahren selbst erfahren, als ich zwei Monate in Israel und Palästina verbrachte, um das Land der Bibel zu erkunden. In kürzester Entfernung wechseln sich unterschiedlichste Landschaften und Klimazonen ab: Wüste, Oase, See, Berge, Mittelmeer; es wechseln Temperaturen, Gerüche und Farben. Besonders deutlich erfährt man diesen Kontrast mit den Wadis – das sind Flussläufe in der Wüste. Sie sind die meiste Zeit trocken, aber plötzlich führen sie unerwartet viel Wasser. Diese Erfahrung mit der Schöpfung Gottes steckt im Prophetenbuch Jesaja; mit dem Bild des Wassers, das auf sich warten lässt, wird die Sehnsucht nach Frieden beschrieben, die Jerusalem und das jüdische Volk nach dem Exil in Babylon in ihren Herzen hatten.
Das Bibelfenster
Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.
Haben Sie eine Frage? Eine ganz andere Idee zum Thema? Oder möchten das Bibelfenster als kostenlosen Newsletter abonnieren?
Dann schreiben Sie uns!
An bibelfenster@bistum-os.de
Trockenheit, Landbesetzungen, Kriege, Wasserknappheit – auch heute könnten wir trostlos sein. Und auch uns erreicht der Aufruf: Freut euch! Jubelt! Zögerlich, und doch. Auch ich mache immer wieder die Erfahrung: Gott lässt uns nicht im Stich. Ich beobachte, wie Menschen anderen helfen, spüre, wie der Wind die Haut streichelt, schmecke die Köstlichkeiten, die die Erde hervorbringt. Es mag einem vielleicht gerade wie ein dünnes Rinnsal vorkommen. Der Friede wird aber kommen wie ein Wadi. Gott ist schließlich wie eine gute Mutter, die sein Volk nährt und tröstet. Und so werden auch unsere „trockenen Knochen sprossen wie frisches Grün“.
Vom Grundvertrauen trotz aller Widrigkeiten, davon legt Jesaja Zeugnis ab: Wir dürfen dem Leben vertrauen und können uns des Lebens freuen – durch das Leid hindurch. Das macht unseren Glauben aus.
Einige Impulsfragen für Sie:
- Worüber kann ich mich heute freuen und jubeln?
- Wie könnte ich dazu beitragen, dass die Heilszeit spürbar wird? Wie Frieden oder Versöhnung stärken?
Roberto Piani