Himmlisch menschlich
Da wir nun einen erhabenen Hohepriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, lasst uns an dem Bekenntnis festhalten. Wir haben ja nicht einen Hohepriester, der nicht mitfühlen könnte mit unseren Schwächen, sondern einen, der in allem wie wir versucht worden ist, aber nicht gesündigt hat. Lasst uns also voll Zuversicht hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit!
Hebräerbrief 4,14-16 (Einheitsübersetzung 2016)
Wer ist Jesus?
In geradezu poetischen Worten beschreibt der Hebräerbrief in wenigen Sätzen zwei zentrale Facetten Jesu, die mir persönlich sehr wichtig sind.
Einerseits ist Jesus Christus der erhabene Hohepriester, der Sohn Gottes, der Mittler, der Gott und die Menschen verbindet. Er steht auf/an der Seite Gottes, zumal er „die Himmel durchschritten hat“, also mit seinem himmlischen Vater im Himmel herrscht. Er ist fern, ganz anders, nicht greifbar, erhaben, bleibt immer auch fremd. Vor ihn kann ich mich hinstellen und emporblicken, – auch wenn der Himmel als göttliche Heimat eigentlich nicht mit „über uns“ verortet werden kann, so zählt doch die Geste –, mich vor diesem Größeren verneigen und dabei ehrfürchtig wohlig erschauern und einfach nur staunen. Eben genau so, wie Göttlichkeit für mich wirken muss. Jesus ist nicht einfach (nur) ein toller Mensch.
Andererseits kann dieser Sohn Gottes „mit unseren Schwächen“ mitfühlen und ist versucht worden. „Nimm diesen Kelch von mir!“ (Mk 14,36b), Jesu Bitte im Garten Getsemani höre ich heraus und muss auch an die Versuchung Jesu vor seinem öffentlichen Wirken denken (vgl. z.B. Mk 1,12-13). Und natürlich an seine ganze Leidensgeschichte. Wer sonst könnte alles Menschliche und auch Unmenschliche verstehen, wenn nicht dieser Jesus, der elendig am Kreuz verreckt ist, dem absolut nichts erspart geblieben ist? Auch wenn er „nicht gesündigt hat“, jeglicher Versuchung widerstehen konnte, ist er durch seine Lebens- und Leidensgeschichte uns nah, ganz ähnlich, ist berührbar. Zu ihm kann ich mich hinsetzen und mein Herz ausschütten, mein Innerstes nach außen kehren, auch all das Unansehnliche, mein ganzes Elend und das der Welt ausbreiten. Eben genau so, wie Göttlichkeit auf mich auch wirken kann. Jesus ist nicht einfach (nur) der herrschaftliche Gott.
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Wer ist also Jesus? Das himmlisch menschliche Antlitz Gottes, der heruntergekommene Gott, nah und fern zugleich, bei dem wir mütterliches Erbarmen finden und „Hilfe erlangen zur rechten Zeit“.
Der Hebräerbrief ruft uns dazu auf, an dem Bekenntnis zu diesem Jesu festhalten. Und das heißt für mich auch, nicht einfach abzuwarten, sondern in Jesu Fußstapfen zu wandeln und den Menschen zu dienen, so gut es mir möglich ist.
Inga Schmitt, Pastoralreferentin