Hoffnung muss vielleicht verrückt sein
Jesus Christus selbst aber, unser Herr, und Gott, unser Vater, der uns liebt und uns in seiner Gnade ewigen Trost und sichere Hoffnung schenkt, ermutige eure Herzen und gebe euch Kraft zu jedem guten Werk und Wort. Im Übrigen, Brüder und Schwestern, betet für uns, damit das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird, ebenso wie bei euch! Betet auch darum, dass wir vor den bösen und schlechten Menschen gerettet werden; denn nicht alle nehmen den Glauben an. Aber der Herr ist treu; er wird euch Kraft geben und euch vor dem Bösen bewahren. Wir vertrauen im Herrn auf euch, dass ihr jetzt und auch in Zukunft tut, was wir anordnen. Der Herr richte eure Herzen auf die Liebe Gottes aus und auf die Geduld Christi.
2 Thessalonicher 2,16-3,5
Mein erster Impuls, als ich diese Bibelstelle lese: Schöner Text mit schönen Hoffnungsbildern – den brauchen wir doch „gerade jetzt“ (sagt man das nicht immer?)! So will ich anfangen: „Den Text brauchen wir grad, der sagt: ,Macht weiter, es lohnt sich. Der HERR gebe euch dafür Kraft!‘“ Dann denke ich: Manchmal kann ich so etwas selbst nicht mehr hören. Kauft mir das jemand ab? Klingt das nicht einfach naiv angesichts unserer Welt?
Ich schaue gerade eine Serie, deren Plot – sehr verkürzt – etwa so aussieht: Ein paar Menschen gelangen auf einen Fleck Erde, den sie besiedeln möchten. Sie glauben, allein zu sein, breiten sich aus, werden dann aber doch mit Einheimischen konfrontiert. Es folgen – wie könnte es anders sein, so sind wir Menschen – kriegerische Auseinandersetzungen, Intrigen, Abmachungen und Brüche von Abmachungen, Gespräche (bis wieder jemand eine Waffe rausholt) und die Diskussion grundsätzlicher Moralfragen … Irgendwann schlägt eine Anführerin der anderen Anführerin vor, es auf unkonventionelle Art zu versuchen: „Nicht Gewalt wollen wir, sondern Frieden.“ „Wie?“, ist die Reaktion, „aber das haben wir immer schon so gemacht!“ Und die erste: „Ja, das war aber bisher wohl nicht besonders fruchtbar. Ich weiß, es scheint unmöglich, aber lasst uns unsere Herzen mal auf die Liebe ausrichten.“ So in etwa jedenfalls. Als sie da so vor ihr steht, findet die andere Anführerin diese Idee plötzlich ganz attraktiv. Sie lässt sich drauf ein. Alle Berater halten sie für verrückt. Womöglich ist sie das auch, diese Idee vom Frieden.
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Hoffnung muss vielleicht verrückt sein, um überleben zu können.
Da sind wir wieder beim Text. Dieses Vorhaben, von dem die Rede ist, ist ein bisschen verrückt: Verbreitung der Frohen Botschaft. Gute Werke und Worte. Bewahrung vor dem Bösen. Um die Kraft dafür wird gebeten: Der HERR, heißt es, gebe „ewigen Trost“ und „sichere Hoffnung“. Er „richte eure Herzen auf die Liebe Gottes“ aus. Er „ermutige eure Herzen“ – jetzt sage ich es doch: So ein schönes Bild! Der Duden erklärt ermutigen mit „jemandem den Antrieb geben“ oder „in positiver Weise in seinen Absichten bestärken“.[1] Brauchen wir vielleicht doch gerade, ja, ok. Weil die Absicht zur Ausrichtung auf die Liebe und den Frieden vielleicht immer verrückt und utopisch bleiben wird. Trotzdem klingt sie so gut wie vor 2000 Jahren, „jetzt und auch in Zukunft.“
Katharina Westphal