In deinem Boot

Segelschiff auf dem Meer
Bild: pixabay.com, ajoheyho

An jenem Tag, als es Abend geworden war, sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren. Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und andere Boote begleiteten ihn. Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann. Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein. Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? Da ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?

Markus 4,35-41

 

Zugegeben: Bisher habe ich mir vorgestellt, dass Jesus sich im Boot erhebt und mit klarer Geste dem Wind und Wasser befiehlt, sich zu beruhigen. Eine große Pose – und im Hintergrund hört man vielleicht sogar noch Richard Wagners „Fliegenden Holländer“. So hätte ein Gustave Doré sicherlich diese Szene illustriert, dessen Bilder noch bis in unsere Zeit hinein viele Bibeln schmücken – das dachte ich zumindest. Aber Fehlanzeige!

Gemälde
Gustave Doré: Sturmberuhigung Bild: Gustave Doré auf zeno.org

Denn dieser Maler der Romantik, Doré, hat die im Evangelium beschriebene Situation ganz anders gestaltet: Da sitzt hinten im Boot ein nachdenklicher Jesus, der sich weder vom aufgewühlten See irritieren lässt noch vom Gezeter der Jünger. Er sitzt da und ist mit seinen Gedanken ganz woanders als der Rest der Mannschaft. Ist er noch vom Schlaf benommen? Man fragt sich, wo mehr Sturm herrscht: auf dem Wasser oder im Boot bei der Besatzung. Es scheint, dass der Künstler den kurzen Moment vor der Frage Jesu festgehalten hat: „Was ist los? Warum habt ihr solche Angst?“

„Warum hast du solche Angst?“ Diese Frage gilt auch mir. Denn sehr oft laufen in meinem Kopfkino die reinsten Horrorfilme ab, welche gruseliger sind als es die Wirklichkeit tatsächlich ist. Angst ist oftmals nur reine Kopfsache.

Nun sind aber die Probleme des Lebens und des Alltags nicht mit einem kurzen Fingerschnippen abzustellen. Manches Dilemma, in das Menschen geraten, lässt sich nicht ohne weiteres auflösen. Viele verfahrene Situationen in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen werden bleiben. Menschen geraten immer wieder in unterschiedliche Sackgassen.

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Die Zusage des Evangeliums lautet: Jesus sitzt in deinem Boot! Und er macht keine Anstalten, es zu verlassen. Die Stürme kommen – und gehen auch wieder. Von Jesus darf ich lernen, dem Leben zu trauen. Von ihm darf ich mich einladen lassen, seinem Gott, dem Abba, zu glauben. Nicht, weil dann wie von Geisterhand alle Ängste verschwinden, sondern weil mein Leben unter einer Verheißung steht: Ich gehe nicht unter! Ich habe Boden unter den Füßen und wenn es nur die Schiffsplanken einer Nussschale auf dem Meer des Lebens sind.

Das eigentliche Wunder ist vielleicht nicht so sehr, einen Sturm auf dem See zu beruhigen, sondern das Vertrauen in den Gott des Jesus von Nazareth gewagt zu haben.

Pastor Michael Lier