Keine Angst!

Mauer mit Graffiti
Bild: unsplash.com, Stephen Harlan

Immer mehr Menschen in Deutschland leiden an psychischen Erkrankungen. Unruhe und Depression, vor allem Panik und Angst nehmen zu. Davon berichten nicht nur Statistiker, Ärzte und Arbeitgeber. Auch in meinem persönlichen Umfeld begegne ich Menschen mit Angst vor dem Absturz aus der Mittelschicht oder der Armut im Alter. Viele sind in großer Sorge vor dem Rechtsruck von Gesellschaft und Politik in Europa einerseits und der Migration aus dem Nahen Osten andererseits. Nicht zuletzt haben vor allem alte Menschen eine tiefe Angst davor, dass der Krieg sich aus Osteuropa wie ein Flächenbrand nach Deutschland ausbreitet.

„Angst essen Seele auf“ hat Rainer Werner Fassbinder 1974 seinen bemerkenswerten Film genannt. Und tatsächlich ist Angst ein Seelengift. Sie lähmt, sorgt dafür, dass Menschen sich zurückziehen und Grenzen errichten, krank und manchmal auch aggressiv werden.

Haben wir eine Medizin gegen die Angst?

Über den Autor

Dominik Blum ist Pfarrbeauftragter in der katholischen Pfarreiengemeinschaft im Artland. Zusammen mit seiner Frau hat er vier erwachsene Kinder. Die besten Einfälle, wenn es um Gott und die Welt geht, kommen ihm im Wald mit seinem Labrador Oscar oder bei Whiskey und Rockmusik.

Heute, am 22. Oktober, erinnert die Kirche uns an einen speziellen und nicht unumstrittenen Heiligen: Karol Józef Wojtyła (1920-2005), der später Papst Johannes Paul II. wurde. In den mehr als 26 Jahren seiner päpstlichen Amtszeit zwischen 1978 und 2005 hat er Entscheidungen getroffen, die vielen Christinnen und Christen – mir auch – bis heute unverständlich bleiben. So verkündete er mit höchstmöglicher Autorität, dass die Weihe von Frauen unmöglich sei, und lehnte die lateinamerikanische Befreiungstheologie unerbittlich ab.

Aber Karol Wojtyła hatte eine starke Botschaft gegen die Angst, die Gesellschaft und Politik erreichte und die Welt für Jahrzehnte verändert hat. Schon in seiner ersten Ansprache sagte er:

Habt keine Angst! Reißt die Tore weit auf für Christus! Öffnet die Grenzen der Staaten, die wirtschaftlichen und politischen Systeme, die weiten Bereiche der Kultur, der Zivilisation und des Fortschritts seiner rettenden Macht! Habt keine Angst! Christus weiß, was im Innern des Menschen ist. (…) Heute weiß der Mensch oft nicht, was er in der Tiefe seiner Seele, seines Herzens trägt. Er ist deshalb oft im Ungewissen über den Sinn seines Lebens auf dieser Erde. Er ist vom Zweifel befallen, der dann in Verzweiflung umschlägt. Erlaubt also (…) Christus, zum Menschen zu sprechen! Nur er hat Worte des Lebens!

Das ist vielleicht nicht mehr die Sprache von heute. Viele Historiker sind aber überzeugt, dass Johannes Paul II. mit dieser Botschaft viel dazu beigetragen hat, den ‚Eisernen Vorhang‘ zwischen Ost und West einzureißen, der gerade in rasender Geschwindigkeit aus Angst und Hass neu errichtet wird. Was also bräuchten wir heute mehr als ein Mittel gegen die Verzweiflung im Herzen und die verschlossenen Grenzen – in unserer Gesellschaft und gegenüber den Flüchtlingen überall auf der Welt?

Man darf, man muss auch Heilige kritisch betrachten. Aber die Botschaft ‚Habt keine Angst!‘, die bleibt aktuell.

P.S. Einen sehenswerten Film über Papst Johannes Paul II. hat der US-amerikanische Theater- und Filmregisseur Jeff Bleckner gedreht – mit deutschen Schauspielern in den Hauptrollen. Auch dieser Film nimmt das wichtigste Zitat des polnischen Papstes auf: Fürchtet euch nicht! – Das Leben Johannes Pauls II

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