Mütterliche Maria
Überrascht halte ich inne, als ich durch den Kreuzgang in die Kathedrale von Santo Domingo de la Calzada gehen will: Solch eine Darstellung von Maria hatte ich noch nie gesehen!
Auf meinem Pilgerweg nach Santiago de Compostela hatte ich dort Halt gemacht, denn ich war neugierig, ob es in der Kirche tatsächlich die beiden lebenden Hühner gibt, von denen man überall lesen kann. Jetzt aber schaue ich fasziniert auf diese Statue: Maria, als junge Frau, auf ihrem Schoß das Jesuskind. Eine ihrer Brüste ist entblößt und Maria hält die Brustwarze zwischen zwei Fingern, um dem Kind das Saugen zu erleichtern.
Lange bleibe ich vor dieser so mütterlichen und sorgenden Darstellung von Maria und ihrem Sohn stehen und fühle mich der jungen Frau verbunden. Ich würde mich am liebsten dazu setzen, einfach schweigend, um den innigen Moment der Nähe zwischen den beiden staunend und mit Ehrfurcht zu genießen.
Über die Autorin
Andrea Schwarz ist Schriftstellerin, war lange Jahre pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und lebt im Emsland. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!
Diese Maria ist eine von uns, sie kennt die Mühen des Alltags, die großen und die kleinen Sorgen, die Müdigkeit am Abend nach getaner Arbeit, die Freude über die kleinen Finger, die sich ihr entgegen strecken, und über das Lächeln des Kindes. Und mit ihr zusammen kann ich mich auf den Weg machen – damals weiter nach Santiago, aber auch heute jeden Tag hier im Emsland.
Ich glaube, es ist solch eine Maria, die Papst Franziskus vor Augen hat, wenn er schreibt:
Denn jedes Mal, wenn wir auf Maria schauen, glauben wir wieder an das Revolutionäre der Zärtlichkeit und der Liebe
Evangelii Gaudium, Nr. 288
– und das ist eben nicht die Himmelskönigin, wie sie oft auch dargestellt wird. Die ist mir zu erhaben, zu weit weg von meinem Leben. Zu ihr kann ich nur hochschauen. Die mütterliche Maria, die ist an meiner Seite, die kann ich anschauen.
Die gute Nachricht für Sie: Um solch eine Mariendarstellung zu sehen, müssen Sie nicht gleich auf dem Jakobsweg pilgern, sondern das können Sie einfach mit einem Sonntagsausflug in das Osnabrücker Diözesanmuseum verbinden. Dort ist solch eine Statue auch zu sehen. Und wer mehr über dieses Motiv erfahren will: Der offzielle Fachbegriff dafür ist „Maria lactans“, und da lassen sich im Internet einige Informationen finden.
Ach ja, übrigens: In der Kathedrale von Santo Domingo gibt es tatsächlich einen Käfig mit einem Hahn und einer Henne – aber das ist eine andere Geschichte …
Moin,
eine ähnliche Darstellung der Mutter Maria, die ihren Sohn säugt, findet sich als Fresko in Greccio, dem franziskanischen Bethlehem. Sehr überraschend, wenn man das sieht, aber auch sehr natürlich. Wer mal nach Assisi wallfährt, sollte Greccio unbedingt mit ins Pilgerprogamm aufnehmen.
Danke für den Hinweis! Und wenn man einmal darauf aufmerksam geworden ist, finden sich tatsächlich immer wieder einmal solche Darstellungen. Schade, dass sie für uns so außergewöhnlich sind!
Freundliche Mai-Grüße, Andrea Schwarz