Nicht gucken, sondern machen!
Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen. Da erzählte er ihnen dieses Gleichnis und sagte: Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er die Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war! Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben.
Lukas 15, 1-7
Immer, wenn ich diesen Ausschnitt des Evangeliums höre, denke ich an Papst Franziskus. Auf die Frage, ob die Kirche einen guten „Job“ mache, antwortete er einem Interviewer vor fast zehn Jahren: „Einmal sagte mir ein sehr weiser Priester, dass wir uns in einer total anderen Situation befinden, als sie im Gleichnis vom Guten Hirten angesprochen wird, der 99 Schafe in seinem Stall hatte und sich aufmachte, das eine verirrte Schaf zu suchen: ‚Wir haben ein Schaf im Stall und 99, die wir nicht mehr suchen gehen.'“ Die Kirche solle sich daher nicht so sehr mit sich selbst und ihren Vorschriften beschäftigen, sagte Franziskus, „sondern auf die Straße gehen, um die Menschen zu suchen und sie persönlich kennenzulernen.“ Und dann entwarf der Papst ein wunderbares Bild. Er sagte: „Ein Hirte, der sich einschließt, ist kein wirklicher Hirte der Schafe, sondern einer, der seine Zeit damit verbringt, ihnen Löckchen zu drehen, anstatt andere Schafe zu suchen. Auf die Menschen zugehen bedeutet auch, ein wenig von sich selber wegzugehen und den eingezäunten Bereich unserer eigenen Meinungen zu verlassen, wenn diese zum Hindernis werden und den Horizont verschließen, der Gott selbst ist. Das heißt konkret, sich in eine Haltung des Zuhörens zu versetzen.“
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Vielleicht sagt jetzt jemand: Das habe ich doch schon zehnmal gehört! – Super, kann man da nur sagen. Dann klappt es ja schon mit dem Zuhören. Aber wie steht es um den nächsten Schritt: Den eingezäunten Bereich der eigenen Meinungen zu verlassen? Da wartet offenbar noch so manches Hindernis aus lieb gewonnener Gewohnheit, Regelwerk, Tradition und Kirchenrecht …
Gerrit Schulte, Diakon