Renovabis-Pfingstaktion zum Thema Würde

Renovabis-Pfingstaktion zum Thema Würde
Bild: Renovabis

Die Pfingstaktion 2025 des Hilfswerkes Renovabis steht unter dem Leitwort „Voll der Würde“. Sie ruft dazu auf, Solidarität zu zeigen und Menschen in Osteuropa gegen Armut, Ausgrenzung und Ungerechtigkeit zu stärken. Wie das aussehen kann, zeigt ein Beispiel aus Rumänien:

Jeden Morgen fährt Anikó Deàk Haan eine Schotterpiste entlang, wie sie häufig Dörfer in Siebenbürgen verbindet. Während sich ihr Wagen durch die Schlaglöcher kämpft, kommen ihr immer wieder Pferdefuhrwerke entgegen. Viele der Häuser hier in Peteni, rund eine Autostunde entfernt von Brașov (Kronstadt) sind aus Holz gebaut und schon halb heruntergekommen. Die Bewohner leben oft in Armut und sind auf Transferleistungen angewiesen. Ein Großteil der 200 Dorfbewohner sind Roma.

Kinder vor der Schule im rumänischen Dorf Peteni.
Kinder vor der Schule im rumänischen Dorf Peteni.

In der Schule des Ortes arbeitet Anikó Deàk: Sie ist Lehrerin und mag ihre Arbeit. „Ich würde nicht mehr weggehen“, sagt sie – und die Kinder würden sie auch nicht gehen lassen. „Sie sagen, wenn ich nicht da bin, kommen sie nicht zu zur Schule.“ Aber es ist nicht nur ihre Lehrerin, die die Mädchen und Jungen begeistert: Die Schule bietet etwas Besonders an, nämlich Essen. Die 48-Jährige erzählt, wie ein Schultag beginnt: „Wir waschen uns zuerst die Hände, und dann gibt es Frühstück.“ Und danach kann die erste Stunde beginnen, mit 20 Kindern von der ersten bis zur vierten Klasse, alle Jahrgänge zusammen in einem Raum. Mehr als vier Schulklassen besuchen die meisten Kinder der Roma-Familien nicht, sagt Deàk.

Weitere Infos

  • Renovabis ist das Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland für Mittel- und Osteuropa.
  • Die Pfingstaktion endet mit der Pfingstkollekte am 8. Juni in allen katholischen Gemeinden Deutschlands.
  • Mit der Spende werden Projekte in 29 Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas sowie in Zentralasien gefördert.
  • 2024 wurden bei der Pfingstaktion im Bistum Osnabrück knapp 81.000 Euro für Renovabis gespendet.
  • Wenn Sie Renovabis unterstützen möchten, gibt es hier weitere Infos.

Viele bekommen schon als junge Teenager eigene Kinder, beobachtet die Lehrerin, die 13 von ihren 30 Jahren Unterrichtserfahrung in der „Roma-Schule“ von Peteni gesammelt hat. Sie muss den Schülerinnen und Schülern in wenigen Jahren eine Grundlage in Lesen, Schreiben und Rechnen fürs Leben mitgeben. „Es geht aber nicht nur um Wissen“, erklärt sie. Sie möchte, dass die Kinder auch spüren, dass sie etwas wert sind. Bildung ist ein Weg, ihnen ihre Würde zurückzugeben, besonders wenn sie als Roma außerhalb der Schule auf Vorurteile stoßen. Noch immer erleben viele Roma-Familien häufig von Hass motivierte Belästigungen und Ausgrenzung.

Hohe Schulabbrecherquote

Einem Bericht der EU-Kommission aus dem Jahr 2023 zufolge ist die Schulabbrecherquote von Roma-Schülern in Rumänien mit 70 Prozent signifikant höher als der landesweite Durchschnitt (9,7 Prozent).

Auch die 22-Jährige Gergely Zita besuchte nur vier Jahre die Schule in Peteni, auf die nun der älteste ihrer beiden Söhne geht. Sie ist froh, dass ihre Kinder zusätzlich von der Caritas unterstützt werden, etwa durch Freizeitaktivitäten und Sommercamps. Die katholische Organisation spielt eine wichtige Rolle bei der Begleitung von Roma-Familien in der Region. „Wir arbeiten mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien, um sie zu stärken und ihnen eine Perspektive zu geben“, erklärt Kinga Hubbes, Koordinatorin der Caritas in Târgu Secuiesc, deren Arbeit Renovabis seit vielen Jahren unterstützt. Es gehe darum, sie als Teil der Gesellschaft zu sehen und ihnen dabei zu helfen, dies auch selbst zu spüren, sagt die 49-Jährige.

„Ich würde nicht mehr weggehen“, sagt Lehrerin Anikó Haan Deàk.

Besonders die Mädchen brauchen Perspektiven

Wie wichtig es ist, Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen zu fördern, weiß Kunigunda Szabó, Sozialpädagogin im Caritas-Kinderzentrum Ciucului in Sfântu Gheorghe. Inmitten einer grauen Plattenbausiedlung bietet das Zentrum den Kindern einen Ort der Sicherheit und Geborgenheit. Die Kinder, die hier betreut werden, stammen aus verschiedenen ethnischen Gruppen – Roma, Rumänen und Ungarn – und wachsen oft in prekären Verhältnissen auf. Armut, Perspektivlosigkeit und ein Mangel an Unterstützung prägen viele Familien. Häusliche Gewalt ist in diesem Umfeld keine Seltenheit. „Die Kinder wissen, dass unsere Tür immer offen ist“, sagt die 37-Jährige, die seit der Gründung des Zentrums mitarbeitet. Neben außerschulischen Aktivitäten lernen die Kinder hier, Konflikte friedlich zu lösen und auf Gewalt zu verzichten. Szabó betont, wie wichtig es ist, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken, besonders bei Mädchen.

„Ich wünsche mir, dass sozial benachteiligte Kinder mit der Zeit verstehen, dass sie nicht weniger wert sind als die Kinder, die in der Stadtmitte leben“, sagt sie. Besonders für die Mädchen möchte Kunigunda Szabó Perspektiven schaffen, die ihnen bewusst machen, dass sie in der Lage sind, ihr Leben selbst zu gestalten. Sie sollen die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, welchen Weg sie im Leben einschlagen – ob sie sich für ein Leben als Mutter und Hausfrau, für eine berufliche Karriere oder für beides entscheiden.

Quelle: Renovabis – Ana Nedelea (Text) und Markus Nowak (Text und Fotos)