Sieben Tage für Gott und für mich

Weg zum Meer
Bild: unsplash.com, Tim Marshall

Sieben Tage lang hat Autorin Martina Jeßnitz sich Zeit für Exerzitien genommen – in Stille, auf der Insel Juist. Hier berichtet sie von ihren ganz persönlichen Erfahrungen:

Sieben Tage auf der Insel, sieben Tage für mich, sieben Tage für Gott. Ich freue mich schon seit Wochen auf diese Zeit, auch wenn ich nicht genau weiß, was mich dort erwartet. Sicher bin ich mir allerdings, dass die Ruhe der Insel Juist und die geistliche Begleitung einen Unterschied zu meinem Alltag machen werden. Ich werde auf viele Dinge verzichten, die sonst selbstverständlich sind: auf mein Handy und damit auch den Kontakt zu meinen Freunden und meiner Familie. Bis auf die täglichen Gespräche mit meiner geistlichen Begleiterin und vielleicht die wenigen Sätze beim Brötchenkauf werde ich die Zeit schweigend verbringen. Ich werde auf Musik verzichten, die ich normalerweise immer auf den Ohren habe, wenn ich unterwegs bin. Ebenso auf Bücher, Zeitungen und jede andere Form von Medien, die mich unterhalten oder über das aktuelle Weltgeschehen informieren. Eine Ausnahme gibt es: die Bibel. Außerdem im Gepäck sind ein Notizbuch und mein Lieblingsfüller, um meine Gedanken festzuhalten. Dass es sich füllen wird, bezweifle ich nicht. Alle Freunde, die mir von ihren Exerzitien berichteten, waren sich in diesem Punkt einig: Es ist eine intensive Zeit.

Einstimmung auf eine frische Brise

StrandspaziergangAuf der Fähre zwischen all den anderen Reisenden merke ich, dass ich ein mulmiges Gefühl im Bauch habe: Welche Themen werden in den nächsten Tagen aufkommen? Wie wird es mir ergehen? Kann ich Ruhe finden, meine Gedanken zu sortieren, die richtigen Entscheidungen zu fällen, meinem Glauben näher zu kommen? In meinem Alltag war dafür jedenfalls keine Zeit.
Ich gehe an Deck, lasse mir den salzigen Wind um die Nase wehen und beobachte die Möwen, wie sie kreischend über uns fliegen. Mit meiner Lieblingsmusik aus den Kopfhörern hätte  ich das wahrscheinlich verpasst, fällt mir auf. So scheint es wie eine Einstimmung zu sein, auf die Natur und die frische Brise, die mich auf der Insel erwarten.

Und dann komme ich auf Juist an, das Wetter ist alles andere als einladend. Der Regen peitscht mir entgegen, während ich versuche, ohne Navi den Weg zu meinem Appartement zu finden. Die erste Andacht in der Kapelle verbringe ich dank meiner dürftigen Regenkluft mit nassen Füßen und schreibe den ersten Punkt auf meine innere To-Do-Liste: Gummistiefel. Doch es dauert nicht lange, da hört das Nachdenken und Planen auf. Ich bin da.

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Neben der allabendlichen Andacht hat jeder Tag meiner Exerzitien noch zwei weitere feststehende Termine: Um 7.30 Uhr findet die Morgenmeditation statt und anschließend setzen Schwester Michaela und ich uns zusammen, um meine Erlebnisse und Gedanken zu besprechen. Schwester Michaela ist meine geistliche Begleiterin in dieser Zeit. „Wie ist das Leben weitergegangen?“ fragt sie mich, und schon sprudelt es aus mir heraus. Das Reden ist heilsam, zwischen all dem Schweigen. Es hilft mir, das zu sortieren, was da so ungeordnet aufkommt. Mit ein paar Fragen schafft Schwester Michaela es, mich zu beruhigen, mich zum Nachdenken – besser: zum Nachspüren – zu bringen. Und sie gibt mir immer wieder Bibelstellen, die zu den Themen passen und die mich begleiten. Für den Rest des Tages habe ich mir eine Struktur überlegt, die sich immer wiederholt. Da gibt es neben den Essenszeiten auch Zeiten für Gebet, für Bewegung und für die Bibel, denn „wenn man nicht weiß, wo der Weg hingeht, ist es hilfreich, ein Geländer zu haben, an dem man sich festhalten kann“, hat Schwester Michaela in unserem ersten Gespräch gesagt – sehr passend, nicht nur für die nächsten Tage …

Ein Erlebnis ist mir aus diesen Tagen besonders in Erinnerung geblieben: Vier Rehe blicken mich verschlafen an. Ich habe gerade das Rollo hochgezogen, die vier scheinen direkt vor meinem Fenster übernachtet zu haben. Langsam stehen sie auf und staksen dann über die noch nasse Wiese davon. Was für eine schöne Begrüßung an einem Morgen, der endlich blauen Himmel zeigt! So überraschend, wie die vier Rehe vor dem Fenster, sind auch die Themen, Fragen und Erkenntnisse, die in dieser Woche in mir auftauchen – ganz ohne Kontrolle oder Plan. Schwester Michaela hat schon Recht: zum Glück habe ich ein Halt gebendes Geländer – auf geht’s zur Kapelle!

Eine wohltuende Mischung aus Gelassenheit und Hoffnung

Stein im SandDann sitze ich schon wieder an Deck der Fähre, die Exerzitien sind vorbei. Die Sonne scheint und der Sturm der ersten Tage hat sich gelegt, auf der Insel und in mir drin. Ich genieße die letzten Momente der Ruhe, bevor es zurück geht in den Alltag, zu den Verpflichtungen und Terminen. Vor allem aber warten da die vielen Menschen, meine Kontakte, die mir am meisten von allen Dingen gefehlt haben. Ich möchte so viel erzählen von den letzten Tagen und berichten, was ich von hier mitnehme. Da ist zum Beispiel dieser eine schöne Stein vom Strand, ein bisschen Sand an meinen Gummistiefeln und reichlich Erkenntnisse. Vor allem aber möchte ich dieses Gefühl behalten, das ich in den letzten Tagen auf Juist gefunden habe: eine wohltuende Mischung aus Gelassenheit und Hoffnung. Meinen Glauben.