Sternstunde

Stern Lichterkette
Bild: unsplash.com, Hikarinoshita Hikari

Zurück aus Frankfurt reibe ich mir die Augen: Ok, ich bin noch ziemlich müde von den drei intensiven Tagen. Ich hatte wenig Schlaf, unendlich viele Begegnungen, etliche Interviews, lange konzentrierte Sitzungsperioden (bei denen ich als Beraterin – fast – nur zuhören durfte), eine Zoom-Veranstaltung und daneben viele Gespräche im Plenarsaal, beim Essen und in den (wenigen!) Kaffeepausen.

Aber ich bin nicht nur erschöpft, ich bin auch verwundert, weil nun so viel vom abrupten Ende der Vollversammlung die Rede ist, der mangelnden Beschlussfähigkeit am späten Samstagnachmittag und vom Verdacht, das wäre denen, die alles so lassen wollen, wie es ist, gerade recht gewesen. Um es gleich zu sagen: Ich bin ermutigt und beschwingt von Frankfurt nach Hause gefahren! Weil es für das ausdrückliche Anliegen meines Forums – die Erneuerung der kirchlichen Sexuallehre – eine breite, eine ganz breite Zustimmung gegeben hat und weil so viele andere wichtige Anliegen richtig viel Rückenwind bekommen haben. Und nicht zuletzt, weil da so viele großartige Menschen waren, die ihre Kraft und ihren Verstand, ihre Liebe und ihre Lebenszeit der Kirche zur Verfügung stellen. Eine junge Synodale hat sogar in Kauf genommen, ihren 18. Geburtstag während der Vollversammlung zu feiern. Was für ein Einsatz!

Über 200 Katholik*innen haben sich während dieser zweiten Vollversammlung wirklich ins Zeug gelegt. Die Texte, über die gesprochen und abgestimmt wurde, machen eine konstruktive Zuordnung von Synodalität und Demokratie stark, nehmen neu Maß an demokratischen Standards, den Menschenrechten und der katholischen Soziallehre, sie betonen die Zeichen der Zeit und den Glaubenssinn des Gottesvolkes als Orte der Gotteserkenntnis, sie werben für eine Konfliktkultur innerhalb der Kirche. Sie denken konstruktiv und handfest über den Predigtdienst von Laien nach oder über spürbare Verbesserungen kirchlicher Verfahren. Und dann das Anliegen, für das mein Forum einsteht: Sexualität endlich und rückhaltlos als eine positive Kraft zu würdigen, als ein Geschenk Gottes, das viele kostbare Dimensionen hat, und Partnerschaft konsequent von der in ihr gelebten Liebe her zu denken. Unser Text, der all das beinhaltet, wurde mit großer Mehrheit angenommen. Das Wort „Paradigmenwechsel“ fiel mehrfach – mit frohem, erleichtertem Unterton.

Endlich! Da wehte Aufbruchsstimmung durch den Saal, jemand sprach von einer „Sternstunde der deutschen Kirche“.

Über die Autorin

Martina Kreidler-Kos ist Leiterin des Osnabrücker Seelsorgeamts. Ihr liegen die großen Fragen der Kirche am Herzen – aber auch die kleinen, alltäglichen und nur scheinbar nebensächlichen Dinge.

In all die Debatten haben sich auch die von Missbrauch Betroffenen konstruktiv und energisch eingemischt. Sie haben erinnert, warum wir das Ganze auf die Beine stellen und sich gegen den Vorwurf verwehrt, man würde sie instrumentalisieren. Sie fordern und fördern, beraten und unterstützen ausdrücklich diesen Synodalen Weg – mit kritischer Kraft. Auch das: Was für ein Einsatz! Ich habe einen großen und sehr verantwortlichen Veränderungswillen wahrgenommen – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Zum Einstieg durfte ich eine kleine Rede halten – zugegeben mit einigem Herzklopfen – und habe gesagt: „Es geht um nicht weniger als die Zukunft, das ist uns allen klar. Aber behalten wir ebenso klar, es geht um eine engagierte, erträumte Zukunft, nicht darum, sich irgendwie über die Zeit zu retten. Sondern diese Stunde, in die wir gestellt sind, mit Feuereifer, mit Wagemut und Weitsicht zu gestalten.“ Und genau das habe ich in Frankfurt erlebt.

 

2 Kommentare zu “Sternstunde

  1. Danke für diese Ermutigung und die frohe Botschaft, dass der Geist Gottes weht!
    Angela ja Ritter-Grepl
    Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreich

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