Ein Papstwort vom Schweigen
Stille und (Papst)Wort
Am Anfang war das Wort – so steht es in der Bibel. Genauer gesagt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“ (Johannes 1,1-4)
Das Wort Gottes, festgehalten und weitergegeben in der Bibel und durch die apostolische Tradition der mündlichen Überlieferung, ist eine der zentralen Säulen des katholischen Glaubens. Das Wort ist außerdem die wichtigste Säule in der menschlichen Kommunikation überhaupt: im persönlichen Gespräch, am Telefon, in Briefen, E-Mails und SMS.
Zum 46. Tag Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel und zum Mediensonntag am 9. September 2012 hat Papst Benedikt XVI. deswegen dem Wort seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt – genau so, wie seinem Gegenpart, der Stille. Das Wechselspiel dieser beiden hält der Papst für unabdingbar: „Stille und Wort: zwei Momente der Kommunikation, die sich ausgleichen, aufeinander folgen und sich ergänzen müssen, um einen echten Dialog und eine tiefe Nähe unter den Menschen zu ermöglichen. Wenn Stille und Wort sich gegenseitig ausschließen, verschlechtert sich die Kommunikation, entweder weil sie eine gewisse Betäubung hervorruft oder weil sie, im Gegenteil, eine Atmosphäre der Kälte schafft; wenn sie jedoch einander ergänzen, gewinnt die Kommunikation an Wert und Bedeutung.
Die Stille ist ein wesentliches Element der Kommunikation, und ohne sie gibt es keine inhaltsreichen Worte. In der Stille hören und erkennen wir uns besser, entwickelt und vertieft sich das Denken, verstehen wir mit größerer Klarheit, was wir sagen wollen oder was wir vom anderen erwarten, entscheiden wir, wie wir uns ausdrücken. Wenn man schweigt, erlaubt man dem Gegenüber, sich mitzuteilen, und auch wir selbst bleiben so nicht nur unseren eigenen Worten und Ideen verhaftet ohne einen angemessenen Austausch. Auf diese Weise eröffnet sich ein Raum gegenseitigen Zuhörens, und eine engere menschliche Beziehung wird möglich.
In der Stille erfasst man zum Beispiel die typischen Momente der Kommunikation unter Liebenden: die Geste, der Gesichtsausdruck und der Leib als Zeichen, die die Person erkennen lassen. In der Stille sprechen Freude, Sorgen und Leid, die gerade in ihr eine besonders intensive Ausdrucksform finden. Aus der Stille also entsteht eine noch anspruchsvollere Kommunikation, die die Sensibilität und jene Fähigkeit des Hörens ins Spiel bringt, die oft das Ausmaß und das Wesen der Beziehungen offenbart. Wo es eine Fülle von Nachrichten und Informationen gibt, wird die Stille unentbehrlich, um das, was wichtig ist, von dem, was unnütz oder nebensächlich ist, zu unterscheiden.“
Eine spannende Idee des Papstes, sich gerade im Wort zu den sozialen Kommunikationsmitteln auf das „Nicht-Wort“, also die Stille zu beziehen.
Ihre Bedeutung als besondere Form der Kommunikation anzuerkennen, Sie darüber hinaus sogar selbst als eine Form des Worts zu begreifen, wirft einen neu pointierten Blick auf die Welt der modernen Kommunikationsmitte, besonders des Internets. Denn soziale Netzwerke wie Facebook und Kurznachrichtendienste wie Twitter sind von ihrer Grundidee her ja eher Medien eines ständigen Austausches, eines fortwährenden Frage-und-Antwort-Spiels, eines unendlichen Stroms an Worten. Doch laut Papst Benedikt können Sie darüber hinaus noch weitaus mehr sein:
„Mit Interesse sind die verschiedenen Websites, Anwendungen und sozialen Netzwerke zu betrachten, die dem Menschen von heute behilflich sein können, Momente des Nachdenkens und echten Fragens zu erleben, aber auch Räume der Stille und Gelegenheit zu Gebet, Meditation oder Austausch über das Wort Gottes zu finden. In der auf das Wesentliche konzentrierten Form kurzer Botschaften, oft nicht länger als ein Bibelvers, kann man tiefe Gedanken zum Ausdruck bringen, wenn man es nicht versäumt, das eigene innere Leben zu pflegen. Es ist nicht verwunderlich, wenn in den verschiedenen religiösen Traditionen die Einsamkeit und die Stille privilegierte Räume sind, um den Menschen zu helfen, sich selbst und jene Wahrheit wiederzufinden, die allen Dingen Sinn verleiht. …
Wenn wir von der Größe Gottes reden, bleibt unser Sprechen stets unangemessen; und so öffnet sich der Raum der stillen Betrachtung. Aus dieser Betrachtung erwächst in all seiner inneren Kraft die Dringlichkeit der Mission, die gebieterische Notwendigkeit, das, „was wir gesehen und gehört haben“ (1 Johannes 1,3), mitzuteilen, damit alle in Gemeinschaft mit Gott seien. … Stille und Wort sind beide wesentliche und integrierende Elemente des kommunikativen Handelns der Kirche für eine erneuerte Verkündigung Christi in der Welt von heute.“