Stroh oder Stern?!

Strohstern am Tannenbaum
Bild: AdobeStock.com, Marima

„Wenn du in diesem Jahr eine Rolle beim Krippenspiel übernehmen solltest, welche würdest du wählen?“ „Was ist denn das für eine Begrüßung?“, frage ich eine befreundete Nonne, die mich auf einen Adventskaffee eingeladen hat. Ich bin in ihrer Stadt, weil ich später noch Weihnachtseinkäufe machen will. „Du hast recht!“, meint sie, „entschuldige, aber wir haben gerade unsere Rollen gezogen und ich bin mit meiner überhaupt nicht einverstanden. Aber komm erst einmal rein, dann erkläre ich dir alles.“

Sie hat den Tisch im Sprechzimmer schon gedeckt, eine Kerze brennt und der Kaffee duftet. Sie fängt an zu erzählen: „Du weißt ja, wir schenken einander nichts hier im Kloster, aber natürlich sitzen wir an Heilig Abend alle zusammen. Da gibt es die alte Tradition, dass jede von uns im Advent eine Figur von der Krippe zieht, sich Gedanken darüber macht und das dann mit den anderen Schwestern am Weihnachtsabend teilt.“ „Du liebe Zeit,“ sage ich, „seid ihr dazu nicht immer noch zu viele: Maria, Josef und das Jesuskind!“ Sie bricht in schallendes Gelächter aus: „Was glaubest du denn! Da sind auch noch Ochs und Esel, die Hirten natürlich, die Schafe, die Engel, die Könige – und als ich jung war und wir hier noch richtig viele, da war dann die eine auch schon mal der Stall, die Krippe, der Brunnen, der da ja auch irgendwo gewesen sein muss, damit so eine Geburt überhaupt von Statten gehen kann oder ein Hirtenhund, eine Maus und was weiß nicht noch alles. Ich erinnere mich sogar an ein Jahr, da war ich das Stroh!“ „Erinnerst du dich auch noch, was die dazu eingefallen ist?“, frage ich.

Über die Autorin

Martina Kreidler-Kos ist Leiterin des Osnabrücker Seelsorgeamts. Ihr liegen die großen Fragen der Kirche am Herzen – aber auch die kleinen, alltäglichen und nur scheinbar nebensächlichen Dinge.

„Ja, tatsächlich,“ antwortet meine Freundin nachdenklich. „Ich war schon einige Jahre im Kloster und hatte gerade eine schwierige Phase. Ich wusste nicht mehr so richtig, ob das wirklich noch mein Platz ist. Ich fühlte mich mit meinen Zweifeln und Fragen so überflüssig. Die anderen Schwestern waren alle so eifrig und begeistert oder so erfahren und immer ausgeglichen. Da hatte ich das Gefühl, irgendwie nutzlos zu sein. Ich fragte mich, was Gott wohl mit einer so halbherzigen Nonne anfangen sollte.“ Ich hab mich wirklich gefühlt wie Stroh in der Krippe. Unscheinbar, stachelig, aber – dann ist mir aufgegangen – vielleicht trotzdem wichtig? Ich meine, das Jesuskind zu betten und dafür zu sorgen, dass es einigermaßen warm und weich liegt, das ist nicht nichts. An Heilig Abend habe ich das den anderen vorsichtig erzählt. Da hat mich ausgerechnet die Schwester, die Maria gezogen hatte, angelächelt und gesagt: „Dann ist Jesus die meiste Zeit und am allernächsten bei dir. Und du musst gar nichts weiter dafür tun. Du musst einfach nur da sein.“ „Das hat mir damals schon sehr geholfen“, fügt sie lächelnd hinzu.

„Und welche Rolle hast du in diesem Jahr gezogen, mit der du jetzt so haderst?“, frage ich sie. „Den Stern“, sagt sie kurz. „Das finde ich gar nicht so verkehrt“, sage ich. „Es gibt eine Zeit um einfach nur da zu sein – mit allen Fragen und Unvollkommenheiten. Aber es gibt auch eine Zeit, um das, was Gott dir oder mir geschenkt hat, leuchten zu lassen! Und von dieser Strahlkraft hast du schon eine ganze Menge. Versteck sie nicht!“ Sie schaut mich unverwandt an: „Du hast recht“, sagt sie. „Ist es nicht großartig, dass Gott immer etwas mit uns anfangen kann– ob wir nun gerade Stroh sind oder Stern. Es reicht eigentlich, darauf zu vertrauen.“

In diesem Sinne: Frohe und gesegnete Weihnachten!

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