„Haltung ist der Motor der Veränderung“ – wirksame Tiefenstrukturen

„Haltung ist der Motor der Veränderung“ – wirksame Tiefenstrukturen
Bild: Matthias Wocken

Impulsvortrag von Prof. Dr. Klaus Zierer auf der Schulmanagement-Tagung am 1. April 2025 in der Uni Oldenburg zum Thema „Wie machen wir Schule wirksam?“ Ein Erlebnisbericht von Matthias Wocken, Schulrat i. K. der Schulstiftung im Bistum Osnabrück.

Ich sitze, noch ein wenig denkfaul ob der frühen Zeit, in einem vollbesetzten Saal des Hörsaalzentrums der Uni Oldenburg. Schulische Funktionsträger:innen soweit das Auge reicht. Die seit vielen Jahren jährlich stattfindende Veranstaltung ist bestens besucht.

Ich bin heute angereist, um vor allen Dingen DEN deutschen „Visible Learning“-Experten Klaus Zierer zu hören. Die Inhalte seines Buchs „Hattie für gestresste Lehrer 2.0“ beschäftigen mich schon lange. Ich finde es großartig, anhand der Empirie des neuseeländischen Pädagogens John Allan Hattie nachzuweisen, wo Lernen in Schule wirklich sichtbar wird.

Prof. Zierer betritt die Hörsaalbühne und pfeffert direkt einen Satz ins Auditorium: „Haltung ist der Motor der Veränderung!“. Ok, klarer Auftrag an alle Anwesenden, die tatsächlich nach meiner Wahrnehmung direkt ähnlich wach sind wie ich. Natürlich ist es meine Haltung als Schulverantwortlicher, die ein Veränderungsklima des Vertrauens schaffen kann. Logisch. Aber, gar nicht immer so einfach. Da kann das eigene Professionsverständnis und der partizipative Führungsstil noch so geschärft sein. „Haltung“ bedeutet Kraft und das Tag für Tag.

Gut, die Duftmarke für den Vortrag ist gesetzt, es geht zur Sache.

Zierer öffnet eine Grafik zur Untersuchung des „Enthusiasm for School“. Die eingeblendete Folie macht deutlich, Schulen sorgen bis zum neunten Jahrgang kontinuierlich dafür, dass der Enthusiasmus, den Schüler:innen im ersten Schuljahr mit in die Schule bringen, von 100 auf gerade mal 37 im Jahrgang 9 sinkt. Sind wir denn vollkommen verrückt, was machen wir bloß mit den jungen Menschen?

Und das, obwohl, so Zierer weiter, wir merkwürdigerweise mehr Finanzen denn je in Bildung investieren. Quintessenz: Es geht nicht um die Quantität im Bildungsprozess, es geht immer um Qualität.

Und dann geht es los, der Professor offenbart die Tiefenstrukturen von Schule, die Wirksamkeit enfalten: Effektive Unterrichtsmerkmale (nach Hattie ab der Effektstärke 0,4) sind beispielsweise:

Ziele, Feedback, Glaubwürdigkeit, Lehrer-Schüler-Beziehung, Klarheit der Lehrperson, meta-kognitive Strategien, bewusstes Üben.

Kein Hexenwerk, oder? Zierer schärft nach. „Zusammenfassen“ – Effektstärke 0,9, „Beeinflussung von Verhalten in der Klasse“ – Effektstärke 0,6, „Klassendiskussionen“ – Effektstärke 0,8, so langsam scheint durch, wann Unterricht bildungswirksam ist.

  • Mit Blick auf den eigenen Unterricht heißt das:
  • Ich entwickle positive Beziehungen.
  • Ich sehe Lernen als harte Arbeit.
  • Ich setze die Herausforderung.
  • Schüler:innenleistungen sind eine Rückmeldung für mich über mich.
  • Ich informiere alle über die Sprache des Lernens.
  • Ich benutze Dialog anstelle von Monolog.
  • Ich bin ein Veränderungsagent 😊
  • Ich bin ein Evaluator.
  • Ich rede über Lernen, nicht über Lehren.
  • Ich arbeite mit anderen Lehrpersonen zusammen.

Klaus Zierer sagt schmunzelnd: „Alleine eine Formulierung wie: ‚Das kannst du NOCH nicht.‘“, schickt das Bildungslächeln auf die Reise – es ist wie in der Fußgängerzone: Ich lächle wildfremde Menschen an und sie erwidern dies unaufgefordert.

Und so brauchen erfolgreiche Schulen Geborgenheit, Vertrauen und Zutrauen – letztendlich eine positive Fehlerkultur.

Wenn ich mich als Lehrer:in stets von der Frage begleiten lasse, „Was kann ich besser machen?“, bin ich verlässlich prozessverändernd unterwegs. Selbstreflexion ist das wirksamste Feedback. Nach Lösungen ringen, kann ich dann gemeinsam mit meinem Team, um verlässlich besser zu werden. Wenn sich dann eine kollektive Wirksamkeitserwartung einstellt, bin ich mit DEM Faktor für Wirksamkeit unterwegs – Effektstärke 1,3 !

Der Professor holt zur Finalformulierung aus und stellt fest: „Wenn Lehrer:innen scheitern, scheitert die ganze Gesellschaft. Ich zucke und spüre, wie ich seine Äußerung innerlich bejahe. Was eine Verantwortung…

Im Bewusstsein dieser lasse ich mir Zierers Merkmalsfragen gefallen, weil ich spüre, wie sie mir helfen, positiv auf seine Feststellung zu schauen

  • Sprechen wir Lehrer:innen positiv über unseren Beruf?
  • Trauen wir Schüler:innen zu, sich im Unterricht „zu verhalten“?
  • Sind wir didaktisch qualifiziert?
  • Bemühen wir uns, möglichst viele Schüler:innen im Unterricht zu erreichen?
  • Sind wir uns bewusst, dass wir einen wesentlichen Einfluss auf den Lernerfolg unserer Schüler:innen haben?

Die Lehrer:innen einer Schule müssen gemeinsam klarhaben, was guter Unterricht für sie bedeutet. In dieser Frage liegt das Zentrum allen Überlegens, Strukturierens und Beibehaltens oder Veränderns.

Wenn das Team schaut, dass Prozesse personenunabhängig werden, gelingt eine Unterrichtsentwicklung, die tragen kann. Professionelle Standards mit gesicherter Einhaltung führen zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und lassen Schulen im Leben der Kinder und Jugendlichen wirksam werden.

Applaus für Prof. Zierer – und logischerweise für den Wissenschaftspionier John Hattie. Bewunderung für die Aussagekraft ihrer Ergebnisse. Ein Lächeln, als ich zurück auf der Autobahn gen Heimat unterwegs bin. Damit kann man arbeiten. Gut, dass er deutlich gemacht hat, wir MÜSSEN ran, wenn Gesellschaft nicht scheitern soll.

Lohnenswert:

Matthias Wocken im April 2025