Vom Wein und von der Liebe
In jener Zeit fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt, und die Mutter Jesu war dabei. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen. Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut! Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungsvorschrift der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter. Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand. Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist. Sie brachten es ihm. Er kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es. Da ließ er den Bräutigam rufen und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.
Johannes 2,1-11
Eine Blamage vor allen Gästen! Ausgerechnet am Tag der Trauung passiert das Malheur: „Sie haben keinen Wein mehr“. Das Aus für das Fest. Filmreifes Drehbuch einer Krise: Kommt es zum Streit am ersten Tag der Ehe? Wer ist schuld? Was wird aus der frohen Festgesellschaft? Musik und Tanz verstummen … Man mag sich die Szene gar nicht weiter ausmalen.
Was dann passiert, ist schier unglaublich. Jesus betritt die Bühne. Die Hochzeit in Kana ist sein erster öffentlicher Auftritt. Und Mutter gibt noch die Richtung vor: „Was er euch sagt, das tut!“ Anfänglich zögert der Sohn noch, doch dann fließt Wein im Überfluss: Sechs Wasserkrüge – jeder einzelne fasst 100 Liter – lässt Jesus bis an den Rand füllen. Das Wasser wird darin zu Wein. 600 Liter, damit könnte das Brautpaar eine ganze Weinhandlung betreiben. Und dann noch das: Der Wein ist besser als alles, was bisher den Gästen serviert wurde. Die Dürrekrise endet im Überfluss … Keine Katerstimmung! Die Musik spielt wieder. Die Gesellschaft tanzt! Die Mutter Jesu muss es gewusst haben! Maria ist klug.
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„Sie haben keinen Wein mehr“ – das kann man auch im übertragenen Sinn mit Blick auf viele Lebensgeschichten und Beziehungskrisen in heutiger Zeit sagen. Der Wein der Freude ist ihnen ausgegangen, der Wein der Liebe. Es gibt keinen Grund mehr zum Feiern. Es gibt nur noch den grauen Alltag mit all seinen Bedrängnissen und Grenzen. Und wehe Einer fragt: Wer ist schuld! Dann nimmt das Drehbuch seinen Lauf …
Im Evangelium wendet sich die Szene. Aus einem einzigen Grund: Weil Jesus da ist. Durch ihn wird der Mangel zur Fülle. Soll heißen: Wer Jesus an seinen Tisch, in seine Wohnung, in seine Beziehung einlädt – der kann aus einer unerschöpflichen Quelle der Erneuerung und der Liebe schöpfen. Wer Jesus bei sich wohnen lässt, der kann auch in Krisen erfahren, dass Liebe sich auch wandeln muss – am Ende sogar reifer, tiefer oder einfach anders sein wird – wie ein guter Wein. Die Mutter Jesu muss es gewusst haben! Auch, dass ihr Sohn in der Liebe und in der Freude geradezu maßlos war: 600 Liter …
Gerrit Schulte, Diakon