Von Weihnachtspaketen und Menschenrechten
Noch 14 Tage bis Heiligabend. Langsam wird es eng mit den Weihnachtsgeschenken. Für meine älteste Tochter brauche ich noch ein ganz besonderes Paar Dr. Martens in der richtigen Größe. Unser Großer ist Italien-Fan und wünscht sich einen speziellen italienischen Bialetti-Espresso-Kocher. Und für meinen Bruder wollte ich doch eine Kiste von seinem Lieblingswein besorgen – wo hab‘ ich den zuletzt bestellt …? Aber kein Problem: „Kostenlose Lieferung noch vor Weihnachten“, das blinkt mir überall unübersehbar entgegen von den unzähligen Bestellplattformen im Internet.
Heute, am 10. Dezember, ist der internationale Tag der Menschenrechte. Er erinnert daran, dass am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen verabschiedet worden ist. In 30 Artikeln konkretisieren „die Völker der Vereinten Nationen in der Charta ihren Glauben an die grundlegenden Menschenrechte, an die Würde und den Wert der menschlichen Person und an die Gleichberechtigung von Mann und Frau“, um „den sozialen Fortschritt und bessere Lebensbedingungen in größerer Freiheit zu fördern“ (Präambel).
In Deutschland ist das mit den Menschenrechten doch gut geregelt – oder etwa nicht …? Ich bin mir nicht so sicher. Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte handelt von der Arbeit. Dort wird beispielsweise als Menschenrecht definiert, dass jeder das Recht auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen hat, auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit, ja überhaupt auf eine Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine würdevolle Existenz sichert.
Über den Autor
Dominik Blum ist Pfarrbeauftragter in der katholischen Pfarreiengemeinschaft im Artland. Zusammen mit seiner Frau hat er vier erwachsene Kinder. Die besten Einfälle, wenn es um Gott und die Welt geht, kommen ihm im Wald mit seinem Labrador Oscar oder bei Whiskey und Rockmusik.
Und da bin ich wieder bei meinen Weihnachtsgeschenken. Es gibt eine Reihe prekärer Arbeitsplätze in Deutschland. Die Branche der Paketlieferdienste gehört ganz unzweifelhaft dazu. Täglich werden in Deutschland 14 Millionen Päckchen und Pakete ausgeliefert – durch mehr als 90.000 Zustellerinnen und Zusteller. Fast die Hälfte von ihnen ist bei Subunternehmern der großen Lieferdienste beschäftigt. 80% dieser Subunternehmen unterliegen nicht dem Kündigungsschutz. Jede Zustellerin liefert täglich bis zu 300 Pakete aus und muss dafür 200 Stopps einplanen. Die tägliche Gesamttraglast – das einzelne Paket, z.B. mit dem Wein für meinen Bruder, darf bis zu 30 Kilogramm wiegen – beträgt etwa 2 Tonnen. Überstunden werden oft nicht bezahlt, die Löhne sind schlecht. Auf all das weist – übrigens nicht nur wegen der Vorweihnachtszeit – jetzt die Aktion Faires Paket der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) hin. Ist das menschenrechtskonformes Arbeiten? Ich glaube nicht.
Bei uns auf dem Land ist es nicht immer einfach, lokal einzukaufen. Und nein, ich kann mir ein Leben ohne Amazon und DHL auch nicht mehr vorstellen. Aber Menschen- und Arbeitsrechte haben mit Menschenwürde zu tun. Die wurzelt für mich tief im Weihnachtsereignis. Wenn Gott Mensch wird und sich den ganzen Schlamassel des Menschseins antut, bin ich für Würde und Gerechtigkeit seiner und meiner Mitmenschen mit verantwortlich. Das bedeutet, politisch auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Paketbranche zu drängen, spätestens bei der Bundestagswahl im Februar. Und bis dahin meine Lieferkosten zu bezahlen und dem Paketboten ein freundliches Wort und großzügiges Trinkgeld zu geben. Oder zumindest einen Schokoriegel auf den Beifahrersitz zu legen.
Vielen lieben Dank für diesen wertvollen Impuls zur Bedeutung von Arbeit für ein menschenwürdiges Leben.
Wir brauchen hier, gerade auch im Hinblick auf die Gefahr der Entmenschlichung der Arbeit durch prekäre oder gar ausbeutende Arbeitsverhältnisse, aus meiner Sicht einen neuen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über unsere Arbeitswelt, z.B. im Hinblick auf die faire Verteilung und Entlohnung von sog. Care-Arbeit.
Diese wird hierzulande – auch 2024 – immer noch mehrheitlich unbezahlt oder unterbezahlt von Frauen verrichtet, die diese häufig neben einer vollschichtigen Erwerbsarbeit in den geschilderten prekären Arbeitsbereichen ausführen müssen, weil schlichtweg niemand da ist, der ihnen bei der Arbeit hilft. Ich denke dabei vor allem an alleinerziehende Frauen aber auch Männer und pflegende Angehörige.
Die Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation dieser Frauen und Männer ist aus meiner Sicht eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, vor allem aber eine Anfrage an die Politik, an alle Arbeitgeber und die vielfältigen Aktuere unserer gesellschaftlichen Institutionen, hier miteinander im Diskurs zu bleiben und möglichst gute gesamtgesellschaftliche Rahmen- und Randbedingungen für eine faire und menschenwürdige Arbeitswelt zu schaffen.
Unsere Kirchen bieten dazu sicher eine wertvolle Diskurs-Plattform, da wir vielfältig in Politik und Arbeitswelt vernetzt sind, und – so jedenfalls meine persönliche Erfahrung – in diesem Thema auch immer noch gehört werden. Diese Chance sollten wir nutzen – nicht nur im Advent.
Vielen Dank Herr Blum für ihre klaren Worte und die Aufforderung den Fahrer*innen mal „was Gutes“ zu sagen und zu geben.
Wir bemühen uns die Forderugnen an die Politik weiterzugebe und da kann jede*r helfen, wenn das Thema etwas mehr Öffentlichkeit bekommt.
https://www.kab.de/faires-paket
Gerade vor Weihnachten so wichtig!