Wie engagierte Bürger das Emsland voranbringen

Neue Studie „Von Kirchtürmen und Netzwerken“

Im Bistum Osnabrück gibt es eine Region, die aus verschiedenen Gründen sehr bemerkenswert ist: das Emsland. Das Emsland ist eine klassische ländliche Region, die eigentlich so ungünstig liegt, dass sie mit allen Problemen kämpfen müsste, mit denen andere vergleichbare Gegenden auch zu tun haben: Wirtschaftlicher Niedergang, Wegzug junger Menschen, Verödung. Das Gegenteil ist der Fall: Die Region ist wirtschaftlich sehr erfolgreich und vergleichsweise demographiefest, da die Kinder der Region nach der Ausbildung gerne zurück in die Heimat kommen und dort Verantwortung übernehmen. Weshalb das so ist, hat jetzt das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung mit Unterstützung des Bistums Osnabrück und des Caritasverbandes für die Diözese Osnabrück e.V. untersucht.

Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts, bringt das Erfolgsrezept der Emsländer auf den Punkt: „Sie haben es geschafft, die für das Land typischen subsidiären Strukturen zu erhalten, in denen die Menschen den Herausforderungen vor Ort begegnen. So schaffen und erhalten die Emsländer das Gefühl einer lokalen Verantwortungsgemeinschaft.“ Dazu, so ein Ergebnis der Studie, tragen neben anderen Institutionen auch die Kirchen wesentlich bei. Im Kern der emsländischen Dorfgemeinschaften engagieren sich die Menschen für verschiedene Lebensbereiche, schaffen Freizeit- und Versorgungsangebote für alle Altersgruppen und tragen so zu einer hohen Lebensqualität auf dem Land bei. Die Menschen sind über ihre privaten Beziehungen und über ihr vielfältiges Engagement in Kirche, Politik oder Vereinen gut miteinander vernetzt. Kommunale Institutionen bieten die nötigen Strukturen für die Projekte der Freiwilligen. „Gerade dieses Wechsel- und Zusammenspiel zwischen Dorfgemeinschaft und lokalen Institutionen stärkt die Dörfer“, so Reiner Klingholz. Der Generalvikar des Bistums Osnabrück, Theo Paul, sieht hier eine zentrale Aufgabe der Kirche. „Wenn Kirche ihrem Auftrag gerecht werden will, nahe bei den Menschen zu sein, dann muss sie sich positionieren als Dienstleisterin für die Menschen in ihrer konkreten Lebenswelt. Kirche muss ihre Aufgabe als Netzagentur wahrnehmen, als eine Institution, die Netzwerke bildet.“

Klingholz bestätigt, dass die kirchlichen und weltlichen Institutionen diese Aufgabe erfüllen: „Die Aktiven im Emsland erhalten die nötige professionelle Unterstützung“, sagt Klingholz „ein entscheidender Erfolgsfaktor, der andernorts häufig fehlt.“ Paul unterstreicht: „Damit ist Kirche Treiberin von Engagement, nicht alleine, sondern mit anderen. Bei diesem Engagement darf es nicht in erster Linie darum gehen, Prozesse effektiver zu machen oder Renditen abzuwerfen. Es muss als Erstes um das Wohlergehen der Menschen vor Ort gehen.“
Die Studie des Berlin-Instituts macht auch deutlich, dass die erfolgreichen Strukturen im Umbruch sind. Ein ganzes Kapitel ist daher möglichen Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft gewidmet.

„Neue Formen des Engagements können auch Menschen erreichen, die bislang wenig in den etablierten Strukturen organisiert waren“, sagt Theresa Damm, Co-Autorin der Studie. „Die Zusammenarbeit von Vereinen und Initiativen lässt sich verbessern, und die Kommunen und der Landkreis können bei der Organisation helfen. So könnte man Lücken im Engagement zu schließen.“ Den Kirchengemeinden rät sie, sich noch stärker zu öffnen und mit säkularen Akteuren zu kooperieren.

Die Studie kann als kostenloses PDF abgerufen werden.