„Wir Menschen werden von den Tieren gesegnet“

Mann mit Hund
Der Hund ist der beste Freunde des Menschen - und oft auch ein Segen für ihn. Bild: unsplash.com, Eric Ward

Franz von Assisi ist Schutzpatron der Tiere. Sein Gedenktag, der 4. Oktober, ist gleichzeitig Welttierschutztag. Wie Mensch und Tier gut zusammen auf dieser Erde leben können, mit dieser Frage befasst sich der Priester Rainer Hagencord. Im Interview erzählt er, warum auch lästige Tiere wie die Mücke ein Lebensrecht haben und warum sich bei Tiersegnungen auch die Menschen gesegnet fühlen dürfen.

Wenn ich nachts versuche eine Mücke zu erschlagen, weil sie mich nicht schlafen lässt, verletze ich dann die Tierwürde der Mücke?

Salopp gesagt gilt da eher das Gebot der Selbstverteidigung.

Hat denn auch die Mücke ein Lebensrecht, eine Würde?

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Albert Schweizer hat einmal gesagt: Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will. Und natürlich hat auch eine Mücke ein Lebensrecht und natürlich wissen wir aus ökologischer Sicht, dass die Welt zugrunde ginge, wenn es keine Mücken mehr gäbe: Wir sehen sie als Plagegeister, aber für viele Tiere sind sie Nahrungsquelle. Also zusammengefasst: Ich muss mich um mein Überleben sorgen, aber mir zugleich bewusst machen, dass es viele andere Lebewesen gibt, die auch überleben wollen und ein Recht dazu haben. Wenn wir einen Blick in die Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus wagen, heißt es da: Der Lebenszweck der anderen Geschöpfe sind nicht wir. Ein sehr starkes Wort! Tiere sind nicht um unsern Willen da. Sie haben einen eigenen Wert und Würde hier auf Erden.

Wie passt es dann zusammen mit dem Wort der Bibel: Macht Euch die Erde untertan. Da sind ja auch die Tiere mitgemeint.

Wenn wir den hebräischen Urtext anschauen, wissen wir, dass die Begriffe „herrschen über“ und „untertan machen“ Attribute eines guten Königs und eines guten Hirten sind. Wir wissen aber auch, dass sich in den letzten 300 Jahren das Verständnis sehr gewandelt hat: Jetzt wurde der Mensch zum Herrn und Meister über die Natur und Tiere nur zu „seelenlosen Automaten“, wie der französische Philosoph Descartes sagte. Das ist aber in keiner Weise biblisch gedeckt. Und jetzt komm ich nochmal mit Papst Franziskus, der sagt: Wir müssten die Stelle so übersetzt: Macht Euch der Erde untertan. Damit die Schwester Erde, von der der heilige Franziskus spricht, weiterhin mit allen Geschöpfen leben kann.

Zu den Geschöpfen der Erde gehören die Haustiere. Um den Gedenktag des Heiligen Franziskus am 4. Oktober werden diese oft gesegnet. Was denken Sie darüber?

Ich habe viele Tiersegnungsgottesdienste erlebt und weiß um die unfassbar bewegenden Momente dort. Es wird die Beziehung zwischen Tier und Mensch gesegnet, zum Beispiel wenn Senioren an ihrem Lebensabend nur noch die Katze oder den Hund haben. Das finde ich sehr stimmig. Wenn ich biblisch schaue, finde ich auf der allerersten Seite, dass die Tiere die Zuerstgesegneten der Schöpfung sind. Der Mensch wird ja erst am sechsten Tag geschaffen. Da wird deutlich: Die Tiere sind von Gott gesegnet und wir Menschen werden eigentlich wiederum durch sie gesegnet. Das können die Menschen mit Haustieren bestätigen: ja, mein Hund, mein Wellensittich ist ein Segen. Und das dritte ist mir die wichtigste Frage: Sind wir denn für die Tiere auch ein Segen?

Rainer Hagencord

Und wie sollten wir mit den Tieren umgehen, dass wir ein Segen für sie sind?

Der Kulturkritiker Sheldrake hat einmal gesagt, dass es in unserer Kultur nur noch zwei Arten von Tieren gibt: Die einen verwöhnen wir mit Haustierfutter und die anderen werden dazu verarbeitet. Wenn ich jetzt eine hohe Sympathie und Dankbarkeit für mein Haustier entwickle, wie ist es denn mit denen, die in der Dose gelandet sind? Wir haben es, wenn wir die Fleischerzeugung anschauen, mit einem System zu tun, das auch schon als das größte Verbrechen der Menschheit bezeichnet wurde. Das System der Masttierhaltung ist ein System der strukturellen Sünde, in dem nicht nur die Würde der Tiere mit Füßen getreten wird, sondern auch die Würde der Menschen, die in den Schlachthöfen arbeiten. Wenn ich also mit meinem Hund unterwegs bin und mich von ihm so gesegnet fühle, dann ist doch der nächste Schritt, eine Solidarität mit den Tieren aus den unsäglichen Mastanlagen auszuüben und kein Billigfleisch mehr zu kaufen, weder für mich noch für meine Tiere.

Am 4. Oktober ist Gedenktag des Heiligen Franziskus – was kann der Heilige Franz zum Umgang mit Tieren sagen?

Es sind zwei Gedanken, die mir wichtig sind: Das eine ist der Gedanke der Geschwisterlichkeit. Das ist im Sonnengesang ja so weit gefasst, dass er nicht nur die Tiere, sondern auch die Sonne und den Mond als Geschwister beschreibt. Das ist eine hochaktuelle Botschaft, da wir dabei sind, die Erde zu zerstören und die Lebensgrundlagen der Menschheit zu vernichten. Wir sind im sechsten großen Artensterben und die Klimakatastrophe, da muss ich auch nichts mehr dazu sagen. Wenn wir Franz ernst nehmen, heißt das, das wir vom Thron herabsteigen und uns als Bruder und Schwester der anderen Mitgeschöpfe verstehen sollten. Papst Franziskus sagt auch, dass der Ruf der Schwester Erde gehört werden muss. Und zweitens: Wir kennen vom heiligen Franz zwei schöne Legenden: dass er den Vögeln predigt und mit dem Wolf von Gubbio spricht. Sehen wir uns als Menschen, die auch die Sprache der anderen verstehen? Sehen wir uns als ein Wesen im Konzert mit all den anderen? Wollen wir auch ein Segen sein für die Tiere, wollen für sie ein Evangelium sein, also die gute Botschaft bringen? Das wäre ein Impuls, den wir vom heiligen Franz aufnehmen sollten.