Predigt zum Einführungsgottesdienst

Bischof Dominicus
Bild: Bistum Osnabrück

In den Mittelpunkt der Predigt bei seinem Einführungsgottesdienst stellte Bischof Dominicus die Bedeutung eines wertschätzenden Miteinanders in Kirche und Gesellschaft. Er bezog sich dabei auf ein Wort des Propheten Jesaja: „Gott, der Herr, hat mir mein Ohr geöffnet; jeden Morgen weckt er mein Ohr“. Der neue Bischof von Osnabrück ermutigte dazu, diese Zuwendung Gottes weiterzutragen. An dieser Stelle ist seine Predigt dokumentiert:

Aufmerksamkeit ist ein Charakterzug, der guttut. Wer „aufmerkt“, wenn er oder sie angesprochen wird, erweist dem Gegenüber Wertschätzung. Ist es nicht allen Aufmerkens wert, dass Gott uns gegenüber diese Haltung zeigt?

Wir sind Gott nicht gleichgültig. Er ist an uns interessiert. Er kennt jede und jeden von uns, nicht nur äußerlich, sondern bis ins Innerste. Seine Aufmerksamkeit geht so weit, dass er mich alltäglich, im Alltag aufsucht.

„Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet; jeden Morgen weckt er mein Ohr“, sagt der Prophet Jesaja.
Dieser Satz von der Zuwendung Gottes löst jedoch die auch verunsichernde Frage aus: „Wozu hat er mein Ohr geöffnet, was soll ich hören?“.

Schauen wir in das Buch Jesaja und versuchen wir eine Antwort zu finden:

1. Damit ich etwas zu geben habe

Das Buch Jesaja ist bei der Frage nach dem Wozu eindeutig: Gott spricht mich an, damit ich mit anderen rede: mit den Müden, Angeschlagenen, Entmutigten, mit denen, die unter die Räder der Gesellschaft und all der Umstrukturierungsmaßnahmen in Kirche und Gesellschaft geraten sind.
Wenn ich im Zwiegespräch mit Gott, in meinem Ringen um ihn, der Leben schenken will, wenn ich in der Stille oder beim Beten von ihm beschenkt werde, kann ich andere beschenken.
Jesus selbst hat das praktiziert. „Was mir der Vater zeigt oder sagt, das sage ich weiter. Ich tue nichts aus mir“.
Aus der Aufmerksamkeit für den Vater wuchs sein liebevoller und dienender Umgang mit den anderen Menschen. Deshalb war sein Leben kein Leerlauf. Er tat das, was ihm sein Vater ans Herz legte. Das gab seinem Wirken Zielrichtung und Tiefe.
Wenn wir Jünger Jesu, seine Schüler werden wollen, haben wir die stete Begegnung mit ihm nötig, indem wir auf ihn hören. Dadurch geht eine Hör-Kraft von Jesus auf uns über. Eine geistige Berührung findet statt. Mit dieser Hör-Kraft bevollmächtigt er uns, gerade das zu tun, was er getan hat: sich den Menschen in Liebe zuzuwenden und sie in ihrer Einmaligkeit wertzuschätzen.

2. Damit ich andere achten kann

Zu oft sind unsere Sinne und Gedanken mit eigenen Problemen, fest geprägten Bildern und Einstellungen besetzt. Wir nehmen den Nächsten mit seinen Nöten gar nicht wahr. Es gibt viel sichtbares und noch mehr verborgenes Leid. Das Hören auf Christus wie ein Jünger öffnet unsere Augen und Ohren, um den Mitmenschen in seiner Wahrheit zu erfassen, also wirklich wahr-zunehmen, wie er heute ist, was er sucht, welche Fragen, welche Lebenssehnsucht ihn bewegen.
So war es bei Jesus selbst. Er nahm wahr, wo die Leute der Schuh drückte. In großer Liebe wandte er sich ihnen zu: „Kommt her, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch Ruhe verschaffen.“ Aufmerksamkeit und Zuwendung durchziehen die Botschaft Jesu und seine Verhaltensweisen.
Ich denke wir tun gut daran, aufmerksamer zu leben und uns mit den wirklichen Anliegen der Schwestern und Brüder in unseren Gemeinden und in unserer Gesellschaft zu beschäftigen, wo derzeit allzu schnell durch nationalistisch gefärbte oder egoistische Stimmen Ab- und Ausgrenzung geschieht.
Gelebte Aufmerksamkeit und ehrliche Zuwendung brauchen Zeit, Orte der offenen und ehrlichen Begegnung und den Mut, sich in all den Veränderungen auch einmal die Hände schmutzig zu machen.

3. Damit ich zur rechten Zeit das rechte Wort finde

Bei diesem Antwortversuch geht es nicht nur um kritisches Hinterfragen oder gar endloses Debattieren, sondern um ermutigendes, helfendes Mittragen.
Müdigkeit ist ein Zeichen unserer Zeit. Vieles kann uns resignieren und aufgeben lassen – auch in unserer Kirche. Mancher sagt es offen: “Ich kann, ich mag nicht mehr“. Sie wenden sich oder tauchen ab.
In solchen Situationen sind wir als Christinnen und Christen gefragt, Zuwendung zu zeigen, indem wir zuerst einmal zuhören.
Dann aber gibt es Besseres zu tun als ins allgemeine Jammern über die veränderten Zeiten einzustimmen und der vermeintlich besseren Vergangenheit nachzutrauern. In dieser Situation haben wir Jesus und seine Botschaft vom Leben im Blick und bringen sie ins Spiel. Eine Botschaft, die über Jahrhunderte ein christliches, wert-schätzendes Menschenbild geprägt hat und aus der kirchlichen Soziallehre Formen gelebter Hoffnung für viele gestaltete.
Ja, wir haben in Jesus eine lebendige Hoffnung! Sie schöpfen wir in jedem Gottesdienst aus dem Hören der Frohen Botschaft, aus der Jüngerschaft dessen, der alles Leid, allen Schmerz und alle Ungerechtigkeit überwunden hat.
Wer mit Jesus in Beziehung steht, wer an diesem Weinstock der Lebendigkeit bleibt, wer mit ihm hört, wer mit ihm aufmerksam seinen Alltag lebt, der wird das aufmunternde und wertschätzende Wort für den Nächsten finden, das Wort, das Leben schenkt und Hoffnung macht und die Würde eines jeden hervorhebt und hochhält.

Und was bedeuten diese drei aus dem Propheten Jesaja herausgelesenen Leitsätze für mich als neuen Bischof von Osnabrück?

Jesus als Bischof nachfolgen heißt im Licht des Jesaja:
Hellhörig sein.
Aufmerksamkeit schenken.
Wertschätzend reden und handeln.

Weitere Infos

Dazu bin ich bereit und dazu bin ich gern in das Bistum Osnabrück gekommen. Mit Ihnen möchte ich unsere Ortskirche in der Verbundenheit mit Christus, der uns alle zu einer Kirche aus lebendigen Steinen zusammenführt, zu einem Ort des Lebens, der Hoffnung und der Ermutigung für möglichst viele Menschen gestalten.

Ich bin bereit, mit Ihnen das Evangelium Jesu mit neuer Kraft in unsere sich stetig verändernde Zeit, in unsere sich immer mehr differenzierende Gesellschaft und ihre drängenden Zukunftsfragen einzubringen.
Ich bin bereit, mit den vielen ehrenamtlich und hauptamtlich Engagierten in den Gemeinden, Einrichtungen und Verbänden unseres Bistums die Kirche von Osnabrück zu einem freundlichen und einladenden Gesicht zu ermutigen, ohne die dunklen Momente unserer Geschichte zu verharmlosen, denen wir uns entschieden stellen müssen, um daraus zu lernen.
Dazu bin ich bereit, aber dazu brauche ich Sie mit Ihren Begabungen und Talenten, mit Ihren Fragen und Ängsten, mit Ihrem Gottvertrauen und Ihrer Hoffnung.

Bauen wir gemeinsam an einer guten Zukunft für unsere Kirche von Osnabrück. Lassen wir uns durch Christus zu einer einenden und lebendigen Kirche zusammenführen