23. Dezember 2020
Glandorfer Fatschenkindl
„Gott hat sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in die Welt hineingesagt, ein Wort, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, weil es Gottes endgültige Tat, weil es Gott selbst in der Welt ist. Und dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt und du Mensch. Ich bin da, ich bin bei dir. Ich bin deine Zeit. Ich weine deine Tränen. Ich bin deine Freude. Ich bin in deiner Angst (…). Ich bin da.“
Karl Rahner, aus: Sämtliche Werke, Band 7: Der betende Christ. Geistliche Schriften und Studien zur Praxis des Glaubens, Freiburg 2013
Im ehemaligen Krankenhaus in Glandorf gab es über viele Jahre hinweg ein Fatschenkindl, also die Figur eines gewickelten Jesuskindes, das für die Menschen, die sich zur Weihnachtszeit im Krankenhaus befanden, Trost und Zuversicht bedeutete. Es gehörte vermutlich ursprünglich einer Ordensschwester, die es das Jahr über in der Klausur aufbewahrte und zum Weihnachtsfest damit von Krankenzimmer zu Krankenzimmer ging, um den Patientinnen und Patienten Trost zuzusprechen oder die Heilige Kommunion auszuteilen. Eine alte Frau aus Glandorf berichtete, dass dabei die Kommunionkinder des jeweiligen Jahres in ihren weißen Kleidern das Fatschenkindel in die Krankenzimmer trugen. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie selbst die Ordensschwester begleitet hat.
Der Kopf des Jesuskindes liegt auf einem mit Goldfäden bestickten Kissen, das wiederum auf einem rechteckigen Bettchen liegt. Das hier beschriebene Jesuskind hat einen aus Wachs modellierten Körper, sowie Hände und Füße aus Wachs. Das Gesicht, der Mund, Augenbrauen, Haare und die Nase sind aufgemalt, die Augen sind aus Glas. Als Kleid trägt das Jesuskind ein gestricktes Jäckchen, darunter ein langes Kleid aus Seide. Das Kind selbst ist „gefatscht“, eine alte Methode, mit der man in früherer Zeit die Kinder gewickelt hat. Um die Bedeutung und Wertschätzung des Kindes zu erhöhen, wurde über dem Jäckchen eine blaue Schleife gebunden.
Fatschenkindl sind seit etwa dem 14. Jahrhundert bekannt und stehen in engem Zusammenhang mit dem Brauchtum des „Kindleinwiegens“, bei dem durch das Wiegen und Verehren der Jesuskindfiguren der Gedanke an den Weltenerlöser meditativ verinnerlicht werden konnte.
Heute befindet sich dieses Fatschenkindel in der Sakristei der St. Johanniskirche.