Die Farbe Lila
„Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf: Ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse. Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß, sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz.“
Genesis 2,4-7 (Einheitsübersetzung)
„Ich glaub, es stinkt Gott, wenn du irgendwo in einem Feld an der Farbe Lila vorbeigehst und sie nicht siehst.“ Ein Satz, der Literaturgeschichte geschrieben hat, denn er hat einem großen Roman den Titel gegeben: „Die Farbe Lila“ von Alice Walker, ausgezeichnet mit dem Pulitzer Preis. Stephen Spielberg hat den 1982 erschienenen Roman verfilmt – unter anderen mit Whoopie Goldberg in einer der Hauptrollen. Es geht um das Leben afro-amerikanischer Frauen in den Südstaaten Amerikas, um Rassen- und Frauendiskriminierung, um patriarchale Gewalt. Es geht um Celie, eine schwarze Frau, die vom Vater missbraucht und in eine schlimme Ehe gedrängt wird; sie kann mit niemanden sprechen als mit Gott. Bis sie Shug Avery kennen lernt, eine selbstbewusste Sängerin. Diese Frauenfreundschaft verändert Celie – sie entdeckt die in ihr schlummernden Kräfte, befreit sich langsam aus ihrem Gefängnis von Gewalt und Unterdrückung.
Lila ist – auch im Roman von Alice Walker – mehr als nur ein Plakat, ein Schlagwort. Lila – oder eben Violett – verbindet die Farben Rot und Blau: Rot – Farbe des Blutes und des Feuers, der Leidenschaft. Blau – die Farbe des Wassers, der Kühle, der Gelassenheit. Lila verbindet so Gegensätze auf harmonische Weise, Himmel und Erde berühren sich darin, Bauch und Kopf. Neues entsteht. In der Liturgie der Kirche wird Violett denn auch als Farbe des Übergangs und Wandels, der Umkehr und der Buße gesehen.
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Die evangelische Bremer Pastorin Jennifer Kauther sagte in einer Predigt über den Roman von Alice Walker und die befreiende Kraft der Farbe Lila: „Für mich spiegelt das Violett der Passionszeit die Sehnsucht nach, ja den Beginn von Heilung, von Befreiung und Aufrichtung aus Leid und Unterdrückung. Es ist die Farbe der Wandlung, der Umkehr, die das Leid weder ausblendet noch sich damit abfindet, es weder um jeden Preis meidet noch es verherrlicht. Sondern auf Gottes Kraft, auf sein Kommen und Durchdringen unserer Welt vertraut.“
Eine Farbe also, die einem die Augen noch einmal neu öffnen kann für die Zeit der Umkehr und der Buße. Eine Farbe, die den Blick auf die schwierige Wirkungsgeschichte von biblischen Texten wie dem oben zitierten vom 1. Fastensonntag lenken kann, in deren Verlauf Frauen viel Unrecht geschehen ist.
Eine Farbe, die einem viel öfter im Alltag begegnet, als man denkt. Also hinschauen, denn: „Ich glaub, es stinkt Gott, wenn du irgendwo in einem Feld an der Farbe Lila vorbeigehst und sie nich siehst.“
Gerrit Schulte