Alles ist Windhauch?

Verblühte Löwenzahnblüten, deren Samen vom Wind verweht werden
Bild: canva.com

Windhauch, Windhauch, sagte Kohélet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch. Denn es kommt vor, dass ein Mensch, dessen Besitz durch Wissen, Können und Erfolg erworben wurde, ihn einem andern, der sich nicht dafür angestrengt hat, als dessen Anteil überlassen muss. Auch das ist Windhauch und etwas Schlimmes, das häufig vorkommt. Was erhält der Mensch dann durch seinen ganzen Besitz und durch das Gespinst seines Geistes, für die er sich unter der Sonne anstrengt? Alle Tage besteht sein Geschäft nur aus Sorge und Ärger und selbst in der Nacht kommt sein Geist nicht zur Ruhe. Auch das ist Windhauch.

Kohelet 1,2; 2,21-23

Ist diese alttestamentliche Lesung wirklich ein „Wort des lebendigen Gottes“, für das wir dankbar sein sollten? Was hat dieser Text in der Bibel verloren? Kohelet (wörtlich: „Prediger“) stellt schonungslos ehrlich Fragen nach dem Sinn des Lebens mit all seinen Mühen; sein düsteres Fazit: „Alles ist Windhauch“. Alles Tun, aller Besitz bringt eigentlich nix – außer Ärger und Sorgen. Denn nichts bleibt.

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Ist solche Hoffnungslosigkeit nicht aktuell, klingt Kohelet nicht ziemlich modern?

Doch gerade mit seinem nüchternen Blick auf die Welt „unter der Sonne“ bereitet das Buch Kohelet den Boden für die hoffnungsfrohe biblische Botschaft von einem Gott ewigen Lebens, der seine Liebe mit uns teilen will.

Der christliche Philosoph Peter Kreeft empfiehlt deshalb, eine Bibellektüre nicht mit dem Schöpfungsbericht in Genesis 1 zu beginnen, sondern mit dem eher gott-losen Buch Kohelet. Der Rest der Bibel erzählt von Erfahrungen, die auf Kohelets – und bisweilen auf unser eigenes – Gefühl von Vergeblichkeit mit einer Hoffnung reagieren, die ihren Ursprung jenseits der Sonne hat. Der Glaube an Gott verleiht scheinbar sinnlosem Leben und Sich-Abmühen einen Sinn, denn er verleiht dem Lieben Sinn, denn „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8). Und „die Liebe bleibt“, wie Klaus Lage 1988 gesungen hat – hier nachzuhören.

Darum ist „Liebesmüh“ nie vergeblich. Gott sei Dank!

Martin Splett