Auf in den Weinberg

Eine Kapelle steht im Weinberg
Bild: pixabay.com, Chorengel

Denn mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen hinausging, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg. Um die dritte Stunde ging er wieder hinaus und sah andere auf dem Markt stehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist. Und sie gingen. Um die sechste und um die neunte Stunde ging der Gutsherr wieder hinaus und machte es ebenso. Als er um die elfte Stunde noch einmal hinausging, traf er wieder einige, die dort standen. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Als es nun Abend geworden war, sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und zahl´ ihnen den Lohn aus, angefangen bei den Letzten, bis hin zu den Ersten! Da kamen die Männer, die er um die elfte Stunde angeworben hatte, und jeder erhielt einen Denar. Als dann die Ersten kamen, glaubten sie, mehr zu bekommen. Aber auch sie erhielten einen Denar. Als sie ihn erhielten, murrten sie über den Gutsherrn und sagten: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet und du hast sie uns gleichgestellt. Wir aber haben die Last des Tages und die Hitze ertragen. Da erwiderte er einem von ihnen: Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem Letzten ebenso viel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder ist dein Auge böse, weil ich gut bin? So werden die Letzten Erste sein und die Ersten Letzte. 

Matthäus 20, 1-16

 

Erinnert der Gutsbesitzer im Gleichnis nicht eher an den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump, als an einen der tarifpolitischen Sozialpartner, wie wir sie aus Deutschland kennen? Er schließt mit jedem Arbeiter einen eigenen Deal ab. Dass sich am Ende diejenigen über den Tisch gezogen fühlen, die zur früheren Zeit mit der Arbeit begonnen haben, ist nachvollziehbar.

Ist solch ein Gutsbesitzer gerecht? Hat er den sozialen Frieden unter den Tagelöhnern im Blick? Jesus, der diese Geschichte erzählt, provoziert seine Zuhörer mit der Aussage, dass sein Gott eben keiner ist, dem man mit einem Anspruch entgegentreten kann. Vielmehr darf er un-gerecht genannt werden, wenn man die Kriterien anlegt, welche landläufig gemeint sind, um Gerechtigkeit zu umschreiben.

Dabei ist dieser Gutsbesitzer einer, der letztlich unter Gerechtigkeit genau das versteht, was schon immer galt: Jeder und jede soll das erhalten, was er oder sie zum Leben nötig haben. Ein Denar war in der Antike der Tagessatz, von dem eine große Familie leben und überleben konnte. Der Gutsbesitzer in der Geschichte ermöglicht also vielen das Leben – und das ist ja eben nicht ungerecht.

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„Wer viel schafft, dem steht auch viel zu!“ Mit diesem Fehlschluss räumt Jesus – zumindest Gott gegenüber – auf. Denn im Umkehrschluss würde das bedeuten, „wer nichts schafft, ist selber schuld!“ Der Gott, von dem Jesus spricht, hebelt alle gängigen Regeln und Vorstellungen einer Leistungsgerechtigkeit (und auch Leistungsfrömmigkeit!) aus. Gott handelt eben nicht so wie wir meinen, dass er es müsste – und das ist auch gut so.

Dieser Gott durchbricht die Vorstellungen, dass Menschen vor ihm etwas leisten müssen. Wir müssen nichts Rechtes fertigen, um gerechtfertigt vor ihm zu sein. Wir dürfen von seinem Reichtum an Liebe, Leben und Vergebung leben.

Aber wir bleiben Tagelöhner. Jeden Tag wird neu ausgehandelt, was am Ende der Lohn sein wird. Aber Gott ist kein Ausbeuter. Jeder Tag ist auch für ihn die Gelegenheit, uns aus seiner Fülle zu schenken, damit unser Leben gelingt. Auch ein Scheitern wird mich vor ihm nicht hungrig lassen.

Dann mal auf in seinen Weinberg …

Pastor Michael Lier