Das Haar in der Suppe
In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge: Mit wem soll ich diese Generation vergleichen? Sie gleicht Kindern, die auf dem Marktplatz sitzen und anderen Kindern zurufen: Wir haben für euch auf der Flöte Hochzeitslieder gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen. Johannes ist gekommen, er isst nicht und trinkt nicht, und sie sagen: Er ist von einem Dämon besessen. Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt; darauf sagen sie: Dieser Fresser und Säufer, dieser Freund der Zöllner und Sünder! Und doch hat die Weisheit durch die Taten, die sie bewirkt hat, Recht bekommen.
Matthäusevangelium 11, 16-19
Mit einigen Menschen gehe ich nicht gerne zum Essen aus. Weil man ihnen nichts recht machen kann: das Fleisch zu zäh, insgesamt das Essen zu kalt, zu heiß … Sie finden immer etwas auszusetzen, das berühmte Haar in der Suppe und so bleibt ein kleiner Schatten über dem geselligen Ereignis.
Zu dieser Spezies gehören wir, der Ansicht Jesu nach, auch. Gott kann es uns nicht recht machen, zumindest dann nicht, wenn er durch seine Boten in dieser Welt handeln will.
Sie fallen aus dem Rahmen und ernten vernichtende Kritik: Der Asket Johannes wird verteufelt und der menschenzugewandte Jesus kommt in die Kategorie: Genussmensch in schlechter Gesellschaft. Derart abgeurteilt sind sie mundtot gemacht, und damit ist auch Gottes Botschaft zum Schweigen gebracht.
Dieses Grundgesetz der Verdächtigungen galt nicht nur in biblischen Zeiten. Ordensgründer und spätere Heilige galten oft als verrückt. Bei Ignatius von Loyola gibt es moderne Untersuchungen, die entweder nachweisen wollen, dass er psychotisch oder neurotisch war. Andere, die gegenteilig aufweisen wollen, dass er weder das eine noch das andere war, sondern schlicht genial. Die Zeiten, wo rundliche Mönche sympathische coole Werbeträger für Schnaps und Käse waren, sind auch vorbei. Heute würde man in ihnen eher Versager sehen, die unverantwortlich mit ihrer Gesundheit umgehen. Als spirituelle Meister haben sie keine guten Karten.
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Menschen, die mit dem Anspruch daherkommen, etwas von Gott mitteilen zu wollen, werden offenbar besonders streng unter die Lupe genommen, können keinem Anspruch genügen und sind der Häme ihrer Umgebung ausgesetzt.
Durch welchen Menschen würde ich mir denn von Gott etwas sagen oder zeigen lassen? Müsste er bestimmte Ansprüche erfüllen? Gibt es andersherum gesehen bestimmte Fehler oder Mängel, die ihn für mich von vornherein unglaubwürdig machen?
Wir bereiten uns auf Weihnachten vor. Immer wieder dieser Skandal, dass Gott als Mensch geboren wird. Bei mir verändert Weihachten die Kriterien. Zum Beispiel für die Auswahl von Personen, denen ich mich geistlich im Gespräch oder auch bei Exerzitien anvertrauen möchte. Oder auf die ich in unseren Gemeinden zu hören bereit bin. Bei allen finde ich ein Haar in der Suppe. Wie sollte es auch anders sein?
Im Sinne des Evangeliums ist dies allerdings eher ein positives Zeichen dafür, sie als Menschen ernst zu nehmen, durch die Gott wirken kann.
Ina Eggemann