Eine Chance
Bibelfenster zum 30. September 2011:
So spricht der Herr: Ihr sagt: Das Verhalten des Herrn ist nicht richtig. Hört doch, ihr vom Haus Israel: Mein Verhalten soll nicht richtig sein? Nein, euer Verhalten ist nicht richtig. Wenn der Gerechte sein rechtschaffenes Leben aufgibt und Unrecht tut, muss er dafür sterben. Wegen des Unrechts, das er getan hat, wird er sterben. Wenn sich der Schuldige von dem Unrecht abwendet, das er begangen hat, und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er sein Leben bewahren. Wenn er alle Vergehen, deren er sich schuldig gemacht hat, einsieht und umkehrt, wird er bestimmt am Leben bleiben. Er wird nicht sterben.
Einheitsübersetzung, Ezechiel 18,25-28
„Wenn der Gerechte sein rechtschaffenes Leben aufgibt und Unrecht tut, muss er dafür sterben.“ – Das klingt hart. Noch mehr, wenn man berücksichtigt, dass hier Gott spricht. Ist Gott ein Gott der Rache, der sogar einst rechtschaffene Menschen zum Tode verurteilt, sobald er das leiseste Unrecht wittert?
Es gibt einige Stellen in der Bibel, die einen auf den ersten Blick zu solchen Schlussfolgerungen verleiten. Ich habe mir angewöhnt, diese Stellen genauer zu lesen. Das lohnt auch hier: Im nächsten Satz heißt es: „Wegen des Unrechts, das er getan hat, wird er sterben.“ Ich lese darin, dass verübtes Unrecht für den Täter Konsequenzen hat, die hier mit „sterben“ umschrieben werden.
Das Bibelfenster
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Für mich beschreibt „sterben“ aber nicht nur das Ende des irdischen Lebens. Vielmehr kann ich auch mitten im Leben quasi sterben. Ein Leben mit unbereinigter Schuld, das Verbüßen einer Gefängnisstrafe, das Fehlen jeglicher Mitmenschlichkeit – so und ähnlich stelle ich mir totes Leben vor – ein Leben, in dem ich nicht die mir von Gott geschenkten Möglichkeiten ausschöpfe(n kann). So mancher merkt vielleicht nicht einmal, wie tot sein Leben jetzt schon ist.
Aber Gott will das LEBEN der Menschen: „Wenn er alle Vergehen (…) einsieht und umkehrt, wird er bestimmt am Leben bleiben. Er wird nicht sterben.“ Auch wenn so manche Frage nach Gerechtigkeit offen bleibt – der Gott Jesu, der Gott, den die Heilige Schrift bezeugt, ist kein Gott der Rache, sondern einer, der uns immer eine Chance gibt.
Das ist Trost und Herausforderung zugleich.
Inga Schmitt, Pastoralreferentin