Der werfe den ersten Stein
Bibelfenster zum 20. März 2016:
Jesus aber ging zum Ölberg. Am nächsten Morgen kehrte er sehr früh zum Tempel zurück. Alle Leute dort versammelten sich um ihn. Er setzte sich und sprach zu ihnen über den Willen Gottes. Da führten die Gesetzeslehrer und Pharisäer eine Frau herbei, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu Jesus: „Lehrer, diese Frau wurde ertappt, als sie gerade Ehebruch beging. Im Gesetz schreibt Mose uns vor, dass eine solche Frau gesteinigt werden muss. Was sagst du dazu?“
Mit dieser Frage wollten sie ihm eine Falle stellen, um ihn anklagen zu können. Aber Jesus bückte sich nur und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie nicht aufhörten zu fragen, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: „Wer von euch noch nie eine Sünde begangen hat, soll den ersten Stein auf sie werfen!“ Dann bückte er sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie das hörten, zog sich einer nach dem andern zurück; die Älteren gingen zuerst. Zuletzt war Jesus allein mit der Frau, die immer noch dort stand. Er richtete sich wieder auf und fragte sie: „Frau, wo sind sie geblieben? Ist keiner mehr da, um dich zu verurteilen?“ „Keiner, Herr“, antwortete sie. Da sagte Jesus: „Ich verurteile dich auch nicht. Du kannst gehen; aber tu diese Sünde nicht mehr!“
Bibel 2000, Johannes 8,1-11
Vor sehr vielen Jahren kam ein Mann sehr zerknittert in das Beichtzimmer. Stockend erzählte er, was ihn bedrückte. Er war zur Kur gewesen und hatte sich während dieser Zeit einen „Kurschatten“ angelacht. Die Beziehung zu dieser Frau währte auch eine Zeitlang danach. Erst vor wenigen Wochen hatte er sie beendet. Seine Gewissensbisse konnte er nicht mehr ertragen. Doch wie sollte es nun in seiner Ehe weitergehen – das war seine Frage. Erzähle ich meiner Frau davon? Wie wird sie reagieren? Mache ich nicht auch noch meine Ehe kaputt, die schon über ein Vierteljahrhundert eigentlich gut gelungen ist?
Ich selber war zunächst auch ratlos, fand keine schnelle Antwort, hörte einfach den Erzählungen des Mannes zu. Ich empfand es nicht als meine Aufgabe, dem Mann Vorwürfe zu machen, ihm eine Buße aufzuerlegen und die Lossprechung zu geben. Mir schien es angemessener zu sein, ihn einzuladen, mit ein paar Fragen nach Hause zu gehen und in der nächsten Woche wieder zu kommen. Denn der Mann drängte nach einer Lösung.
Das Bibelfenster
Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.
Haben Sie eine Frage? Eine ganz andere Idee zum Thema? Oder möchten das Bibelfenster als kostenlosen Newsletter abonnieren?
Dann schreiben Sie uns!
An bibelfenster@bistum-os.de
Eine Woche später erzählte er erst einmal ausführlich, wie es dazu gekommen war. Die viele Freizeit, die viele Zeit miteinander, die gemeinsamen Interessen, die Gespräche – sie kamen sich näher, so nahe, dass es beide überfiel. Das Schlüsselwort war: Zeit füreinander.
Nach einer Woche kam er mit der Frage: Soll ich es meiner Frau erzählen; aber wie? Soll ich Blumen mitbringen, um ihr meine Liebe zu zeigen? Habe ich aber seit Jahren nicht mehr gemacht.
Vielleicht ist es besser, das Schlüsselwort zu leben. Zeit füreinander zu haben; Zeit gemeinsam zu gestalten; Zeit miteinander zu füllen. Positiv mit der Schuld umgehen und so Neues werden zu lassen. Das fand er für sich treffend. Gelöst durch die Zusage von Gottes Vergebung ging er von dannen. Nach Monaten traf ich ihn und seine Frau wieder – beide waren offensichtlich glücklich miteinander.
Klaus Warning, Pastor in Teilzeit