Gastfreundschaft

Bibelfenster zum 23. Juli 2010:

Sie zogen zusammen weiter und er kam in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.

Einheitsübersetzung, Lk 10, 38-42

 

Als „Antihausfrauen-Evangelium“ wird dieser Bericht bei Lukas von manchen kritisiert. Sie finden Jesu Schelte wegen Marthas engagiertem Kücheneinsatz zumindest unangemessen. Ist ein gutes und dazu noch selbst kreiertes Essen denn nicht der schönste Beweis von Gastfreundschaft?
Für den, der zum Essen mit seinen Freunden kommt, bestimmt. Aber offensichtlich freute Jesus sich auf etwas anderes. Er wollte mit den Dreien – zu Maria und Martha gehört ja auch noch ihr Bruder Lazarus – reden. Er hatte ihnen als Gastgeschenk etwas mitgebracht, was er ihnen sagen wollte. Und das hat Maria gespürt.
Sie lässt alles, was sie mit ihrer Schwester geplant hatte, liegen, denn das zählt in diesem Augenblick nicht mehr. Jetzt ist der Freund da, Jesus, und ihm brennt etwas auf dem Herzen, über das er mit den Freunden sprechen möchte. Also hört sie ihm zu.

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Henry Nouwen hat in seinem Jahreslesebuch geschrieben: „Zuhören ist eine Art geistlicher Gastfreundschaft“. Das ist genau der Punkt: Maria hat sich nicht vor dem Kochen gedrückt. Sie hat sich einfach nur dem Gast zugewandt und ihn Gast sein lassen. Er schenkt ihr dafür das Wort des Lebens. Er ist ja Gottes Wort.
Ich bin sicher, dass Martha das im Nachhinein begriffen hat. Und ich meine auch, dass diese Erzählung aus dem Lukasevangelium total aktuell ist. Denn viele – gerade junge Leute – haben ein Gespür dafür, wie wichtig es ist, miteinander zu reden. Zeit haben fürs Gespräch – und anschließend gemeinsam kochen: das ist Gastfreundschaft. Oder nur zuhören können – sei es im Bus oder auf der Parkbank. Ein offenes Ohr und ein hörbereites Herz sind dann mindestens so viel Wert wie ein gastlich gedeckter Tisch.

Ruth Kreutzberg