Man wird zornig

Bibelfenster zum 7. Oktober 2010:

„Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren.“               

Lk 16, 20-21, Einheitsübersetzung

 

Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus. Dieser Satz hat mich in der vergangenen Woche nahezu in jeder Nachrichtensendung eingeholt! Vor der Tür der reichen Industrienationen liegen die Menschen der so genannten dritten und vierten Welt. Mehr als eine Milliarde Menschen leben in extremer Armut.
Im Jahr 2000 sind die Vereinten Nationen angetreten, dieses Elend von der Erde zu tilgen. Bis 2015 sollen acht „Milleniumsziele“ umgesetzt werden: die schlimmste Armut soll halbiert, Zugang zu sauberem Trinkwasser geschaffen, der Zugang zu Bildung und Medizin verbessert, die Stellung der Frau gestärkt und ein gerechtes Handelssystem aufgebaut werden.

Jetzt haben sich die Staats- und Regierungschef zu einer – trotz mancher Erfolge – ernüchternden Zwischenbilanz getroffen. Auch Deutschland liegt noch weit hinter den Zielen zurück.

Das Bibelfenster

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Wenn man all das Elend und die eigenen Verstrickungen in ungerechte Strukturen sieht, kann man zornig werden. Da hilft die Vision einer ausgleichenden Gerechtigkeit im Jenseits. Im Evangelium vom Sonntag landet Lazarus in Abrahams Schoß, der Reiche aber leidet Höllenqualen. Er will seine noch lebenden Brüder warnen, doch Abraham entgegnet trocken: Sie haben doch Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören!
Ende gut, alles gut? Sicher nicht! Für Jesus steht weder die Jenseitsvertröstung im Mittelpunkt noch die Drohbotschaft. Er verweist uns mit seiner Geschichte vom Lazarus auf unsere Verantwortung in unserer Zeit für unsere Welt: Kehr um, öffne dich für das Wort Gottes und handle danach. Schau nicht ängstlich in den Himmel sondern auf den Bruder – auch den vor der eigenen Haustür: den obdachlosen Bettler vor der Kirchentür, die einsame Witwe, die Kranken und Leidenden…

Diakon Gerrit Schulte