Danke, Jesus
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin! Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel! Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm! Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab! Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!
Matthäus 5,38-48
Vor ein paar Tagen ist unser Sohn von einem Auto angefahren worden. Er hat – Gott sei Dank! – unfassbares Glück gehabt und wir sind so dankbar, dass bis auf ein paar schmerzhafte Blessuren und ein kaputtes Fahrrad nichts weiter passiert ist. Im Gefühlschaos nach dem Unfall war nicht nur die Freude, dass unser Sohn noch lebt, nicht nur die Dankbarkeit, dass nichts schlimmeres passiert ist, und Glück, dass wir dies gerade als Familie durchstehen können, sondern auch Wut. Wut auf den Fahrer des Autos, der zu schnell unterwegs war. Meine ersten Gedanken: „Du A***, Dir würd ich am liebsten … aber auf jeden Fall eine Strafanzeige und eine dicke Schmerzensgeldforderung! Dem werd ich schon zeigen, dass ich am längeren Hebel sitze.“
Auch wenn sich mittlerweile meine Gefühle und Gedanken in Bezug auf den Fahrer etwas abgemildert haben, beschäftigt mich die Frage: Wie begegne ich dem Fahrer des Autos? Stelle ich eine Strafanzeige? – Aber was bringt eine solche Anzeige? Gerechtigkeit oder eher ein Gefühl der Genugtuung?
Und da lese ich dieses Evangelium: Nicht mehr Aug um Aug, sondern noch die andere Wange hinhalten und seine Feinde lieben. – Ob ich ihn lieben kann, das weiß ich nicht. Aber ich kann versuchen, ihn zu verstehen. Er hat einen Fehler gemacht, wenn auch einen beinahe folgeschweren. Wahrscheinlich tut es ihm unendlich leid, bestimmt fällt es ihm auch nicht leicht, damit umzugehen. Und auch ich mache in meinem Leben Fehler.
Das Bibelfenster
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Ich lese das Evangelium nochmal: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Matthäus 5,44-45)
Beten – nicht nur für meinen Sohn und für diejenigen, die ich lieb habe, sondern auch für den Fahrer des Autos, der einfach zu schnell unterwegs war. Beten – das kann ich tun.
Ich glaube nicht, dass das der Weisheit letzter Schluss für aktuellen Konflikte auf der Welt ist. Ich bezweifele auch, dass Jesus das damit ausdrücken wollte. Und trotzdem ist dieses Evangelium eine frohe Botschaft, die mich in meinem Leben, in meinen Gefühlen, Gedanken trifft und mir konkret weiterhilft. Danke, Jesus.
Bernd Overhoff