Das Zeitliche segnen

Regenbogen
Bild: unsplash.com, Annie Spratt

Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden. Zum Dasein hat er alles geschaffen, und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. Kein Gift des Verderbens ist in ihnen, das Reich des Todes hat keine Macht auf der Erde; denn die Gerechtigkeit ist unsterblich. Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht. Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, und ihn erfahren alle, die ihm angehören.

Buch der Weisheit 1, 13-15; 2, 23-24

 

Es mag befremden: Irgendwie fasziniert mich der Tod – wenn auch nicht ohne „Respekt“. Keine Frage: Es gibt zu viel leidvolles Sterben, zu frühe, tragische Tode und unsäglichen Schmerz von Hinterbliebenen: Verlust mit Trauer und Wut, auch gegen Gott – da fasziniert der Tod nicht, da empört er! Und wer kennt sie nicht, die Angst vor dem Tod, die wenig Lust darauf macht, sich mit ihm zu befassen, solange man die Wahl hat.

Der Gott der Bibel ist ein Gott des Lebens, und wir sind sein Ebenbild. Das Unheilvolle und Vernichtende des Todes, all das will Gott nicht; diese Seiten des Todes sind teuflisch. Zugleich sei zaghaft gewagt zu fragen, auch gegen den Text: Was, wenn der Tod als solcher nicht einfach nur Untergang und Ende wäre, sondern Gott durch ihn End-Gültigkeit und Vollendung brächte? Was, wenn an der Rede vom Sterben als „das Zeitliche segnen“ etwas dran wäre? Dann wäre er weder nur von Übel noch einfach Erlösung von Qualen.

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Was, wenn der Tod zum Leben gehört?
Gehört zum Leben nicht auch Loslassen, zur Liebe nicht auch Hingabe? Nicht erstrebt, aber hin- oder angenommen: der Tod als „Ernstfall“ des Lebens und Liebens, des Glaubens und Hoffens. Ihn zu bedenken („memento mori“) muss die Freude am Leben nicht nehmen, kann sie vertiefen. Zugleich gibt’s auch ein Zuviel des Grübelns, ist oft Anderes dran, können „weise Worte“ fehl am Platz sein – und weiß ich nicht, was ich in anderen Lebensumständen denken und empfinden werde …

Nicht zuletzt durch Lebenserfahrungen mit sterbenden Menschen bin ich einst zum Theologiestudium gekommen. Zugleich habe ich Menschen vor Augen und im Herzen, die gerade mit der Finsternis des Todes konfrontiert sind. Dem Tod auch eine Sonnenseite zuzugestehen, kann Hoffnung geben, kann aber auch wie Hohn klingen. Wenn der Heilige Franziskus im berühmten Sonnengesang den Tod nicht „Feind“, sondern „Bruder“ nennt, dann kommt mir das vor wie eine Zu-Mutung im doppelten Sinne …

Dennoch und darum: viel Sonne für die nächsten Wochen und für das Leben!

Martin Splett, Caritasverband für die Diözese Osnabrück