„Der Druck auf jeden einzelnen Beschäftigten wächst“
Der 1. Mai ist als „Tag der Arbeit“ ein gesetzlicher Feiertag. Im Mittelpunkt stehen dabei die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – ein Thema, dem sich die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) besonders annimmt. Im Interview erklärt Frederick Heidenreich vom KAB-Diözesanverband Osnabrück, warum der Feiertag auch für Christen eine Bedeutung haben sollte, ob das Thema Werksverträge und Leiharbeit gut gesetzlich geregelt ist und wie die KAB den Beschäftigten in Corona-Zeiten hilft.
Der 1. Mai ist ein staatlicher Feiertag. Warum ist er auch für Christen wichtig?
Der heilige Josef steht als Zimmermann auch für die Arbeiterinnen und Arbeiter. 1955 führte Papst Pius XII am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, den Gedenktag für den Heiligen Josef ein. Nicht nur dadurch hat der 1. Mai auch für die Kirche eine wichtige Bedeutung. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Jünger Jesu zumeist aus der „Arbeiterschicht“ kamen. Und nicht zuletzt: Um das Engagement von Christen in der Arbeitswelt aufzuzeigen, aber auch uns immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass wir gemeinsam die (Arbeits-)Welt gestalten müssen, ist der 1. Mai für uns Christen ein wichtiger Feiertag.
Weitere Infos
- Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) ist eine kirchliche Sozialvereinigung. Sie setzt sich für ein christliches Miteinander in der (Arbeits-)Welt ein, und macht sich für die Rechte der Arbeitnehmer*innen stark – durch politische Interessenvertretung auf Kommunal- und Landesebene, aber auch durch Rechtsberatung und Betriebsseelsorge. Weitere Infos: www.kab-os.de
- Zum 1. Mai gibt es um 18.15 Uhr in St. Marien in Osnabrück einen Gottesdienst unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft“ mit Friedrich Selter, Regionalbischof im Sprengel Osnabrück.
Wo sehen Sie heute die größten Baustellen auf dem Gebiet der Arbeitnehmerrechte?
Einer der größten Knackpunkte ist die Individualisierung der Arbeitswelt. Flexible Arbeitszeiten, der Missbrauch von Leih- und Werksvertragsarbeit, die Zunahme von Homeoffice, Crowd- und Klick-Working und so weiter führen zu einer Entsolidarisierung der Belegschaften. Jeder hat das Gefühl, mit seinen Problemen und Fragen allein dazustehen, dadurch wächst der Druck auf jeden Einzelnen.
Mit der Einführung des Mindestlohns und der Grundrente hat die KAB zwar ein paar Erfolge vorzuweisen, aber das kann nur ein Anfang sein. Vor allem, wenn durch die stetige Digitalisierung die Lohnarbeit immer mehr an Bedeutung verliert, brauchen wir hier „neue“ Ideen.
Die Rechte der Beschäftigten in der Fleischverarbeitung waren in der Region ein vieldiskutiertes Thema. Ist jetzt durch den Bundestagsbeschluss zu Werksverträge und Leiharbeit alles gut?
Es war ein langer Weg, bis Vorkämpfer, wie KAB-Mitglied Prälat Kossen gemeinsam mit der KAB, den Gewerkschaften und vielen weiteren Akteuren den öffentlichen Druck so erhöhten, dass die Politik nicht mehr wegsehen konnte. Wir sind aber weit davon entfernt, dass alles gut ist.
Ziel ist, dass Betriebe in ihren Kernbereichen keine Werksverträge schließen dürfen und Leiharbeit klar begrenzt wird. Es bleibt also abzuwarten, ob die strukturelle Ausbeutung durch das Ende der Werksvertragsarbeit nun auch endet und wie die Unternehmen mit ihrer sozialen Verantwortung umgehen. Gerade mit Blick auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Osteuropa muss genau beobachtet werden, welche Abhängigkeiten weiter bestehen. Lohndumping, Wuchermieten für kleinste und abgewohnte Unterkünfte und die Versuche durch vom Arbeitgeber erhobene Gebühren, wie die sogenannte „Messermiete“, den Mindestlohn zu drücken, müssen ein für alle Mal ein Ende haben.
Die Corona-Pandemie lässt viele Menschen um ihre berufliche Existenz fürchten. Wie kann die KAB hier den Beschäftigten beistehen ?
Die Betriebsseelsorge im Bistum Osnabrück ist ein wichtiger Akteur, der die Menschen an ihrem Arbeitsplatz aufsucht, ihnen zuhört und sich für konkrete Belange einsetzt. Die KAB kann aber auch durch einen für Mitglieder kostenlosen Rechtschutz im Arbeits- und Sozialrecht weiterhelfen.
Nicht nur durch Corona, allein schon aufgrund des Klimawandels, wird sich die (Arbeits-)Welt radikal verändern. Hier müssen wir nicht nur als Christen aktiv werden und den Druck innerhalb von Wirtschaft, Politik und Kirche erhöhen. Denn wie es Kardinal Cardijn sagte: „Jeder Mensch ist mehr Wert als alles Gold der Erde, da er Sohn und Tochter Gottes ist.“ Heute würde er sicherlich den Umweltschutz ergänzen.