Der Zeltplatz Gottes
Die Weisheit lobt sich selbst und inmitten ihres Volkes rühmt sie sich. In der Versammlung des Höchsten öffnet sie ihren Mund und in Gegenwart seiner Macht rühmt sie sich: Der Schöpfer des Alls gebot mir, der mich schuf, ließ mein Zelt einen Ruheplatz finden. Er sagte: In Jakob schlag dein Zelt auf und in Israel sei dein Erbteil! Vor der Ewigkeit, von Anfang an, hat er mich erschaffen und bis in Ewigkeit vergehe ich nicht. Im heiligen Zelt diente ich vor ihm, so wurde ich auf dem Zion fest eingesetzt. In der Stadt, die er ebenso geliebt hat, ließ er mich Ruhe finden, in Jerusalem ist mein Machtbereich, ich schlug Wurzeln in einem ruhmreichen Volk, im Anteil des Herrn, seines Erbteils.
Jesus Sirach 24,1-12
Am zweiten Sonntag nach Weihnachten schlägt die Liturgie zwei höchst dichte und komplexe Textausschnitte als alttestamentliche Lesung und als Evangelium vor. An den vergangenen Festtagen stand die Geschichte um die Geburt Jesu im Zentrum. Dazu bilden die heutigen Bibelstellen den theologischen Tiefgang, auf den wir mitgenommen werden, und die uns einen Blick hinter die Kulissen hin zu Gott geben möchten.
Im bekannten Prolog des Evangelium nach Johannes wird Jesus mit dem ewigen Wort Gottes identifiziert, in der ersten Lesung greift Jesus Sirach wohl die hellenistische Tradition eines Loblieds auf, um die Weisheit zu beschreiben. Was versteht man unter Weisheit heutzutage?
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Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.
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In der Alltagssprache kommt der Begriff „Weisheit“ eher selten vor. Mit Weisheit verbindet man vielleicht eher eine Fähigkeit oder eine abstrakte, esoterisch vage Entität. Nach Jesus Sirach ist die Weisheit eine Form der Anwesenheit Gottes. In den von der Liturgie ausgesparten Versen 3 bis 7 lässt uns der Text zunächst mit der personifizierten Weisheit aus dem Mund Gottes durch den Himmel und die Länder der Erde reisen, bevor die Weisheit auf Gottes Geheiß dann einen Ruheplatz findet und zwar an einem konkreten Ort: in Jerusalem auf dem Zion. Dort schlägt die Weisheit ihr Zelt auf.
Spannend ist, dass das gleiche Bild in der griechischen Originalfassung des Evangeliums von Johannes benutzt wird: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns sein Zelt aufgeschlagen.“ Anders als beim Volk Israel damals hat das Zelt vielleicht für uns nur mit Blick auf den Urlaub Bedeutung. In dieser Metapher scheint es aber zentral zu sein, dass Gott unter und mit uns sein möchte.
Zum Abschluss als Impuls zwei Fragen:
Wie können wir Platz schaffen in unserem Herzensgarten für das Zelt Gottes?
Wie können wir in unserem Alltag der Weisheit Raum geben, um von Gott inspirierte Entscheidungen zu treffen, um unser Handeln nach den Kriterien der Weisheit zu gestalten?
Roberto Piani