Die Erfindung der Krippe

Krippe mit Stroh
Bild: Adobestock.com, Kevin Carden

Es gibt tatsächlich einen „Erfinder“ der Krippe, den heiligen Franziskus. Und es gibt auch ein Geburtsdatum, den Weihnachtsabend 1223. Wir wissen das so genau, weil dieses erste Krippenspiel in der franziskanischen Welt breit erzählt und aufgeschrieben wurde.

Es hat in einer Höhle in den Sabiner Bergen stattgefunden, in die sich Franziskus gern in die Einsamkeit zurückgezogen hat. Dieses ungewöhnliche Weihnachtsfest hat so hohe Wellen geschlagen und so viele Menschen fasziniert, dass an dem Ort sehr schnell ein Kloster entstanden ist. Man kann dieses über der Höhle erbaute winzige Felsenkloster heute noch besuchen, den atemberaubenden Ausblick genießen und in der angrenzenden modernen Kirche Krippendarstellungen aus aller Welt bestaunen.

In Franziskus‘ Herz entsteht im Winter 1223 eine Idee. Weil er das Evangelium von der Menschwerdung Gottes so sehr liebt, will er es lebendig werden lassen. Er will die Weihnachtsgeschichte von den Feldern Bethlehems kurzerhand in die Bergwelt seiner italienischen Heimat holen. „Ich möchte das alles mit leiblichen Augen schauen“, soll er gesagt haben.

Kirche Greccio
Wo die erste Krippe aufgebaut wurde, steht heute eine Kirche – eine Pilgergruppe des Bistums hat sie im vergangenen Jahr besucht.

Es wird nicht die allererste Krippendarstellung gewesen sein, die je arrangiert wurde. Aber Franziskus‘ Krippe ist die erste, die allen Menschen gilt. Man musste weder besonders fromm noch Teil einer privilegierten Klostergemeinschaft sein, um diese Erfahrung der Nähe Gottes machen zu können. Man musste nur Sehnsucht haben. Von nah und fern sollte man vorbeikommen und teilhaben können. Alle sollten sehen, hören, riechen, spüren und anfassen können, was damals in Bethlehem passiert ist. Deshalb hat Franziskus eine lebendige Krippe zusammengesucht, nicht, weil er besonders naiv gewesen wäre oder so viel für Folklore übrighatte, sondern weil er nicht aufhören konnte, über die Geschichte des menschgewordenen Gottes zu staunen.

Christus ist schon da

Aber für ihn, den armen Bettelbruder, war es gar nicht so einfach, seine schöne Idee auch in die Tat umzusetzen. Woher sollte er einen Ochsen und einen Esel herbekommen? Und Heu? Wer würde mitten im Winter freiwillig das Futter herausgeben, das man für die eigenen Tiere so dringend brauchte? Noch mehr Rollen als Ochs, Esel und Heu in einer Krippe sind in diesem Krippenspiel im Übrigen nicht vorgesehen. In den Quellentexten findet sich keine Maria, kein Josef und auch kein Jesuskind. Und das hat einen guten Grund: Direkt über der Krippe soll die Eucharistie gefeiert werden. Christus ist also schon da, in Brot und Wein anwesend.

Weitere Infos

Franziskus kann zwei Wochen vor Weihnachten tatsächlich einen Gönner finden, einen reichen Edelmann mit Namen Johannes, der seine Idee tatkräftig unterstützt. Er selbst übernimmt mit seinen Brüdern die PR. Das war damals nicht anders als heute, jedes Projekt braucht Werbung und Öffentlichkeit. Und er trifft offensichtlich einen Nerv. An Heiligabend 1223 strömen die Leute, große und kleine, mit Fackeln und Kerzen herbei. „Hell wie der Tag wurde diese Nacht“, weiß Franziskus‘ Biograf zu berichten. Aber das Allerwichtigste: Damals, als das Weihnachtsereignis mit allen Sinnen in Erinnerung gerufen wurde, „ist das Kind Jesu im Herzen vieler neugeboren worden“.

Weihnachten passiert mitten im Leben

Es muss eine unbeschreiblich innige Christnacht gewesen sein, die da gefeiert wurde. Wie ein Lauffeuer hatte sich herumgesprochen, was sich in dieser Berghöhle zutragen sollte. Dabei ist ein weiteres Detail der frühen Erzählungen aufschlussreich: Greccio, das Dorf, das dieser Einsiedelei am nächsten liegt, ist ein Ort, den Franziskus sehr schätzt. Er hat dort großen Glauben gefunden, erzählte er einmal. Sein Projekt platziert er also umsichtig, so würde man heute sagen: mit vielen Gleichgesinnten, einem reichen und spirituell sensiblen Unterstützer und in einer Gegend, wo er auf Resonanz hoffen kann.

Der heilige Franziskus wollte die unglaubliche Nähe Gottes, die im Weihnachtsevangelium zum Ausdruck kommt, erfahrbar werden lassen. Mit seinen Händen wollte er nach den Geheimnissen des Himmels fragen. Er entdeckt dabei mit vielen anderen zusammen, dass Gott keine Scheu hat, in unseren kleingläubigen, manchmal so mut- und fantasielosen Herzen neu geboren zu werden. Und dass es keine Rolle spielt, wann das geschieht. Weihnachten passiert einfach mitten im Leben – an Heiligabend 1223 oder gut und gerne auch noch achthundert Jahre später.

ein Text von Martina Kreidler-Kos

Hier gibt’s das Video zum Text:

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