Die Geschichte von zwei Fischen
Jahrelang lauteten die Kurzformeln unserer Glaubens- und Kirchensituation „Jesus ja – Kirche nein“ oder „Religion ja – Gott nein“. Die erste Formel bezieht sich auf die Spannung zwischen dem Evangelium und der konkreten Kirche, die zweite signalisiert die Offenheit für religiöse Erlebnisse und Spekulationen und die Ablehnung eines persönlichen, konkreten Gottes.
In den vergangenen Tagen habe ich über eine neue Studie gelesen. In „Christ in der Gegenwart“ Nr. 45/2019 schreibt Johannes Röser: „Die Kirche als Institution kommt bei den jüngeren Leuten insgesamt erstaunlich gut weg. So beteuern dreiviertel der Katholiken und sogar noch mehr der Evangelischen, dass sie es gut finden, dass es die Kirche gibt. Sogar unter Konfessionslosen sagt das ungefähr jeder Zweite. Allerdings wird Kirche dabei weniger als Glaubens- und Hoffnungsgemeinschaft wahrgenommen, denn als Sozialagentur, als gesellschaftlicher Mahner.“ Aus „Jesus ja – Kirche nein“ ist „Kirche ja – Gott nein“ geworden.
Viele Jugendliche – besonders in Ostdeutschland – haben keine negativen kirchlichen Erfahrungen, weil sie keine Berührung mit der Kirche hatten. Kommt es dann zu kirchlichen Kontakten, sind sie später mit kirchlichen Institutionen, Projekten und Einrichtungen verbunden.
Über den Autor
Theo Paul ist Generalvikar und damit Stellvertreter des Bischofs und Leiter der Verwaltung des Bistums. In seinen Blogbeiträgen greift er gerne aktuelle Themen auf.
Aus dieser Studie ergibt sich für uns Christen und für die Kirche die Frage: Wie kann die Gottesfrage auf der Tagesordnung unserer alltäglichen Arbeit bleiben? Sicherlich nicht mit dem Katechismus unter dem Arm. Auch nicht durch strengere Ordnungen. Mir fällt eine Geschichte von zwei Fischen ein:
Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: ,Morgen Jungs. Wie ist das Wasser?‘ Die zwei jungen Fische schwimmen ein Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und fragt: ,Was zum Teufel ist Wasser?´
(aus: David Foster Wallace, Das hier ist Wasser. Anstiftung zum Denken, Köln, 24. Auflage, 2019,9)
Bei dieser Geschichte muss ich an die Rede des Apostel Paulus auf dem Areopag in Athen denken: „In ihm (Gott) leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,18). Unser christlicher Glaube steht für einen Gott, der umgreift und umfängt wie die Luft, die wir atmen, in der wir uns bewegen und sind. Spüren andere das an uns? Können sie das an uns erkennen?