Stift Börstel
Ein Stift ist etwas Ähnliches wie ein Dorf – so erklärt Kapitularin Johanna Pointke in ihrem Buch „Meine Oma hat ’ne Kirche“ Kindern das Leben in einem Stift. Und ein wenig trifft das auch auf das Stift Börstel zu. Auch wenn es keinen Bäcker oder Fleischer gibt, wohnen die Kapitularinnen und Gäste doch auf dem Gelände zusammen, beten – und genießen die Stille.
Das Stift Börstel liegt mitten im Wald. Autofahrer, die zu schnell auf der Landstraße von Berge nach Herzlake unterwegs sind, fahren an dem kleinen Ort einfach vorbei. Dabei lohnt sich ein Halt. Versteckt zwischen hohen Bäumen und Tannen führt eine schmale, bucklige Straße zum Stiftsgelände. Auf einer Lichtung stehen die Gebäude: Ferien- und Gästehäuser, die Abtei, das Kapitelhaus und natürlich die Stiftskirche.
Wer hier eine Pause einlegt, begibt sich in die Vergangenheit. Der Handyempfang ist schlecht, die Wege sind aus Kies, entlang am Parkplatz und an der Pferdeweide führen Wanderwege in den Wald. Die Gebäude sind alt, teilweise nur aus groben Steinblöcken gebaut, im Sommer ist die Kirche mit den dicken Wänden angenehm kühl. Seit 2005 ist Pointke hier Kapitularin. Zufällig hat sie das Stift entdeckt und sich in den Ort verliebt. Bei der idyllischen Lage kein Kunststück: Große Laubbäume spenden Schatten, im Klostergarten blühen Blumen und durch das Gelände zieht sich ein kleiner Bach.
Vielfältige Angebote
Das Stift Börstel bietet neben der Möglichkeit von längeren Aufenthalten auch Führungen, Meditationen und Seminare an. Tagesgäste sind im Stift Börstel willkommen, gerne auch mit einer Teilnahme an den Gebetszeiten. Eine vorherige Anmeldung ist allerdings ratsam.
Vor gut 760 Jahren beginnt die Geschichte des Stifts. Zuvor stand an der Stelle vermutlich eine Burg der Grafen von Oldenburg – so genau lässt sich das heute nicht mehr feststellen. Ein Indiz dafür ist aber der Kornspeicher, der heute für Vorträge oder Familienfeste gebucht werden kann und wohl Anfang des 13. Jahrhunderts errichtet wurde. Sicher ist aber, dass Zisterzienserinnen auf der Suche nach mehr Abgeschiedenheit von Menslage nach Börstel kamen und 1250 die Stiftskirche und der Ostflügel gebaut wurden.
Heute ist das Stift Börstel kein Kloster mehr. Nach der Reformation war der Konvent bereits gemischtkonfessionell und nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte sich das Leben der Zisterzienserinnen so weit gewandelt, dass sie den Konvent aufhoben und sich zu einem freiweltlichen Stift erklärten. Auch die heutige Satzung geht auf die damaligen Statuten zurück.
Ora et Labora
Das Stift Börstel ist eine selbstständige Stiftung öffentlichen Rechts und dem Land Niedersachsen unterstellt – nicht aber dem Bistum Osnabrück oder der evangelischen Landeskirche. Zum Stift gehören momentan sechs Kapitularinnen, fünf evangelische und Johanna Pointke, zurzeit die einzige katholische Frau. Eine Residenzpflicht oder Gelübde gibt es nicht. Nur die Äbtissin Britta Rook und Pointke, als deren Stellvertreterin, wohnen in Börstel. Die Frauen sind alleinstehend. Jede hat eine Wohnung und führt einen eigenen Haushalt. Viele der nichtresidierenden Kapitularinnen sind berufstätig und nicht regional gebunden. Eine lebe sogar in der Nähe von Basel in der Schweiz, sagt Pointke. Einmal im Jahr kommen alle zum Kapiteltag zusammen, viele verbringen aber ihre Urlaubszeiten in Börstel und sind an Kirchenfesten wie Weihnachten und Ostern dort.
Weitere Infos
Auf dem Gelände ist außerdem der Jugendkonvent untergebracht. Dort leben bis zu vier junge Erwachsene, die für einen bestimmten Zeitraum am geistlichen Leben der Gemeinschaft teilnehmen, ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr absolvieren oder einen Ort für eine persönliche Orientierungsphase brauchen.
Ruhe, Stille und Natur
Pointke und Äbtissin Rook kümmern sich ansonsten um das Leben vor Ort: Das Stift ist zugleich ein Gutsbetrieb, der Unterhalt der Gebäude und die zahlreichen nötigen Renovierungen müssen erwirtschaftet werden. „Wir haben fast immer eine Baustelle aktiv und die nächste schon im Vorrat“, sagt Pointke. Außerdem organisiert sie Führungen, bietet Meditationen an. Zum geistlichen Leben gehören aber auch die regelmäßigen Gebetszeiten. Am Mittag und am Abend treffen sich die Kapitularinnen, die Mitglieder des angegliederten Jugendkonvents und die Gäste auf der Nonnenempore der Kirche zur Andacht. Am Sonntag gibt es außerdem einen ökumenischen Gottesdienst, an die Liturgie von Taizé angelehnt.
Wer zum Stift Börstel kommt, um dort einige Tage zu verbringen, sucht vor allem die Ruhe, die Stille und die Natur. „Die Menschen kommen mit ganz unterschiedlichen Ausgangssituationen hierher“, sagt Pointke. Eine Möglichkeit ist der Aufenthalt unter dem Stichwort „Ora et Labora“. Die Gäste leben zusammen mit dem Jugendkonvent, arbeiten einige Stunden täglich, nehmen an den Gebetszeiten teil und können die restliche Zeit für sich nutzen. Besonders der angrenzende Wald lädt zu langen Spaziergängen ein. Dort gibt es seit einigen Jahren ein Labyrinth, das zur Meditation genutzt werden kann. Und auch der Waldfriedhof, der seit rund 200 Jahren besteht, kann eine Oase der Entspannung sein. „Für ein paar Tage kann man hier aus dem Alltag ausbrechen und zur Ruhe kommen“, sagt Pointke.