Die Seinen (er)kennen

Die Seinen (er)kennen
Bild: pixabay.com, Dimhou

In jener Zeit sprach Jesus: Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. Ich und der Vater sind eins.

Johannes 10,27-30

 

Neulich war ich mit der Bahn unterwegs. In Osnabrück am Bahnhof musste ich umsteigen. Ich stand also am Gleis und wartete auf meinen Anschlusszug, als sich ein junges Mädchen ein Stück weiter vor mich stellte. Ich habe sie nicht von vorne gesehen, aber ihre langen Haare, ihre Statur und ihre Art sich zu bewegen – ich dachte, das könnte eine Freundin aus meiner Schulzeit sein. Da die aber wie ich mittlerweile über 40 ist, konnte sie es eben nicht sein. Trotzdem hat mich dieses junge Mädel extrem an sie erinnert. Und dann kam ein Mann dazu. Ich konnte auch ihn nur von hinten sehen, aber ich dachte sofort: Moment – den kenne ich doch?! Und dann erkannte ich ihn. Es war ein Bekannter und der Vater des Mädchens. Und damit war klar, wer dieses Mädchen ist: Nämlich die Tochter von eben der früheren Freundin, an die sie mich so erinnert hatte! Ich war schwer beeindruckt von der Leistung unseres Gehirns, oder unseres Wahrnehmungsvermögens, dass es das Mädchen, obwohl ich sie höchst selten und dann eher im Vorbeigehen mal sehe, durch ihre Statur und die Art, wie sie sich bewegt, richtig zuordnen konnte!

Früher, als ich noch ein Kind war, ist mir mal etwas Ähnliches passiert: Ich war mit einer Freundin im Wartezimmer beim Arzt, weil sie nach einer Spritze gegen eine Allergie noch warten musste. Dann lief eine Frau über den Flur. Ich konnte sie nicht sehen, nur ihre Schritte mit den klackernden Schuhen hören. Ich dachte sofort, dass das meine Mutter sein musste, und sie war es …

Ich glaube, wenn Jesus davon spricht, die Seinen zu kennen, dann ist mit diesem Kennen mehr gemeint als: Ich weiß, wie du heißt und wo du wohnst. Ich glaube, es ist ein Kennen, das eine tiefe Vertrautheit mit sich bringt; was nicht nur Wissen meint, sondern auch die Gefühlswelt mit einschließt.

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Ich hab mich schon oft zusammen mit Jugendlichen gefragt, ob man Jesus wohl als ihn erkennen würde, wenn er wiederkäme, oder ob man ihn als Spinner abtun würde. Ich persönlich glaube, wenn er wiederkäme, und man ihm begegnen würde, wäre es ein Gefühl, wie in den beiden Geschichten oben, so in etwa: Obwohl ich es nicht sicher erklären kann, weiß ich, dass ich dich irgendwie kenne, dass du es sein musst, dass du es bist. Dieses Erkennen läuft weniger über die Augen als über das Gefühl. Und es wird ein gutes Gefühl sein, das weiß: Dir kann ich vertrauen, du willst mein bestes, denn du bist mein guter Hirte.

Pastoralreferentin Eva Schumacher