„Die Taufe ist eine Liebeserklärung Gottes“
Christiane Becker und Nicola Santel wurden im November 2023 als außerordentliche Taufspenderinnen im Osnabrücker Dom beauftragt. Mittlerweile haben sie das Sakrament in der Kirche in Fürstenau schon gespendet – und nur positive Rückmeldungen bekommen. Im Interview erzählen sie, warum sie den Dienst übernehmen wollten, wie sie die Vorbereitungszeit für die Beauftragung erlebten und was Taufe für sie eigentlich bedeutet.
Frau Becker, Frau Santel, was bedeutet Ihnen die Taufe?
Christiane Becker: Kinder Gottes sind wir schon vorher, auch ohne die Taufe. Aber die Taufe ist nochmal ein Aufgenommen sein in eine konkrete Gemeinschaft, die der Christinnen und Christen. Und das ist für mich auch immer wichtig zu sagen: Es gibt keine katholische oder evangelische Taufe, sondern wir werden auf Jesus Christus getauft. Deswegen auch der Satz: „Ich taufe Dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Das ist der Kernsatz einer jeden Taufe und er macht deutlich, dass wir in eine Gemeinschaft hinein getauft werden, in der Menschen miteinander unterwegs sind, die sagen: Wir glauben, dass Gott Mensch geworden ist, dass er wirklich gelebt hat und dass dieser Jesus für uns gestorben und auferstanden ist. Das ist für mich der Sendungsauftrag schlechthin. Der gilt im Übrigen für Haupt- und Ehrenamtliche. Deshalb haben wir in der Pfarreiengemeinschaft gesagt: Wenn wir die Taufvollmacht bekommen, dann für Haupt- und Ehrenamtliche, also für alle Getauften, denen sie zugesprochen ist. Es darf ja Jede und Jeder taufen.
Nicola Santel: „Die Taufe ist die Liebeserklärung Gottes an die Menschen“, hat einer unserer Mitstreiter gesagt. Diesen Satz finde ich sehr schön und das charakterisiert dieses Sakrament wunderbar.
Weitere Infos
- Seit November 2023 sind die ersten 14 außerordentlichen Taufspender*innen im Bistum Osnabrück beauftragt. Ermöglicht wurde dies durch ein bischöfliches Dekret, das vom damals noch amtierenden Bischof Franz-Josef Bode in Kraft gesetzt wurde.
- Mittlerweile ist ein weiterer Vorbereitungskurs in Planung, der im Frühjahr startet.
- Über die Taufe durch außerordentliche Taufspender*innen hat der NDR einen Videobeitrag gemacht.
- Weitere Infos zum Thema finden sich hier.
Warum wollten Sie als außerordentliche Taufspenderinnen beauftragt werden?
Becker: Ich bin Pfarrbeauftragte und darf hier eine Pfarreiengemeinschaft mit fünf Pfarreien leiten. Da dachte ich: Hm, das ist komisch. Ich darf Menschen beerdigen, also auf ihrem letzten Weg begleiten, aber neue Mitglieder willkommen heißen, das ist mir verwehrt. Und das finde ich schon sehr schräg. Dann habe ich aber wiederum schnell klar gehabt: Ich möchte nicht so ein Privileg haben, wie früher der Pfarrer: Der darf taufen, jetzt darf die Pfarrbeauftragte das auch. Da führen wir ja nur mit anderen Begrifflichkeiten das fort, was wir vorher gemacht haben. Mutig nach vorne zu schauen und zu sehen, wo soll der Weg eigentlich hinführen, wo soll es hingehen mit uns als Kirche, ist wichtig. Das geht aber nur im Miteinander von Geweihten und Nichtgeweihten, von Beauftragten und Gesendeten. In den vielfältigen Diensten sind wir doch miteinander unterwegs und ich finde, es muss unser aller Antrieb sein, mehr Mitglieder zu bekommen. Es wäre doch schade, wenn wir sagen: Wir haben mit dem Glauben etwas total Gutes, wofür es sich lohnt, sich aufzureiben, zu kämpfen, sich zu engagieren und dabei nicht sagen zu können: You´re welcome – Du bist willkommen.
Santel: Wir alle sind ja die Kirche, nicht nur die Bischöfe oder die Priester. Auch als Frau, Mutter und Hebamme, bin ich nah an den Menschen. Eben auch ganz nah dran an den Familien mit den kleinen Kindern. Die bewegt in der Schwangerschaft oft die Frage: In welche Kreise werden wir als Familie und unsere Babys aufgenommen? Und welche Werte, welche christlichen Werte, vermitteln wir?
Sie hatten ja einen Weg zur Beauftragung, eine Vorbereitungszeit. Was war da der Höhepunkt?
Santel: Das praktische Üben, der Aktivtag in Fürstenau. Da waren alle hier vor Ort und haben den ganzen Tag Taufe geübt und uns in der Kirche darüber ausgetauscht. Das alles zusammen durchzugehen und die Riten auch nochmal spirituell besser zu verstehen, war wirklich wertvoll. Auch die Treffen im Haus Ohrbeck waren wichtig, um die anderen Menschen aus dem Kurs kennenzulernen und zu erfahren mit welcher Intention diese kommen.
Becker: Ich fand ebenfalls die Präsenztreffen sehr toll, mit anderen unterwegs zu sein und besonders von den Ehrenamtlichen zu hören, was sie motiviert. Das hat mich zutiefst bewegt. Als Hauptamtliche frage ich mich immer: Wenn ich einen anderen Beruf hätte, der nichts mit Kirche zu tun hat, würde ich dann sagen: „An meinem freien Sonntag könnte ich mir vorstellen, zu taufen.“ Ich weiß es nicht. Ich finde, es ist ein riesengroßer Schatz, dass es Menschen gibt, die das ehrenamtlich tun und dass ich mit denen unterwegs sein darf.
Santel: Die Motivation als Ehrenamtliche ist, dass wir uns ja auch als Gemeinschaft in der Kirche bewegen. Und da will man ja auch etwas zurückgeben.
Und gab es jetzt in der Vorbereitung auf die Beauftragung auch einen Aha-Effekt, wo sie gesagt haben: Das wusste ich noch nicht?
Santel: Es war natürlich sehr hilfreich, den theologischen Background nochmals verdeutlicht zu bekommen: Wie die Erklärungen zur Homilie, der Predigt bei der Taufe, oder die biblischen Hintergründe zu den Texten des Taufritus. Das ist ja nicht mein täglich Brot, das ist sehr interessant. Aber es kam dann für mich auch Fragen: Bin ich diesem Dienst gewachsen? Muss ich das so vertreten? Wieviel Spielraum habe ich?
Sie haben den Dienst als außerordentliche Taufspenderinnen übernommen. Was bekommen jetzt ihre Pfarrgemeinden als „Mehrwert“ dafür?
Becker: Der Mehrwert ist, dass die Menschen merken, es bewegt sich etwas – in der katholischen Kirche ist nicht alles in Stein gemeißelt. Wir haben auch etwas davon, weil wir sagen können: Das machen nur drei Bistümer in ganz Deutschland. Dass da das Bistum Osnabrück darunter ist, macht mich stolz. Und dass wir das Sakrament vollumfänglich spenden dürfen, ist schon etwas Großes. Und dann gibt es jetzt unterschiedliche Menschen, die dieser Taufe vorstehen: Das ist einmal der Priester aus unserem Team. Aber das ist jetzt auch Nicola Santel als Hebamme, Christiane Becker als Pfarrbeauftragte, Heike Bertke als Erzieherin und Ute von der Wellen als Gemeindereferentin. Wir haben unterschiedliche Menschen, die das unterschiedlich mit Leben füllen. Ich glaube schon, dass dieser Dienst unsere Kirche vielfältiger und bunter macht. Es geht auch nicht darum zu sagen: Vorher war es falsch und jetzt ist es richtig. Man darf Dinge auch einfach nur mal anders tun. Dinge dürfen sich verändern – wichtig ist, dass man dabei im Gespräch bleibt.
Santel: Die Beauftragung ist auch ein Zeichen in die Pfarrgemeinde, dass wir gleichberechtigt sind als getaufte Laien. Das sehe ich noch als Mehrwert. Und es stärkt die Zusammenarbeit der Priester, Haupt- und Ehrenamtlichen, aber auch der Männer mit den Frauen, hier vor Ort.
Becker: Taufe war bisher eine männliche Domäne. Durch die Beauftragung wird auch Frauen wieder eine Tür geöffnet.
Wie reagieren denn die Eltern und anderen Angehörigen des Täuflings darauf, dass Sie jetzt am Taufbecken stehen?
Santel: Ich habe nur positive Rückmeldungen bekommen. Auch dafür, dass die Spendung grundsätzlich geöffnet wurde, dass nicht mehr nur Priester das Sakrament spenden, sondern dass das jetzt auch Laien dürfen. Eine Mutter hat auch gesagt: Laie, das Wort trifft es doch gar nicht – ich seid doch beauftragt, also fachkundig, dann seid ihr doch keine Laien mehr.
Becker: Es ist eher manchmal eine Irritation da. Nicht: „Ach so, ihr dürft das jetzt“, sondern „Ach so, ihr durftet das vorher nicht?“ Einem Papa war das nicht klar, dass das so eine große Ausnahme ist, dass wir jetzt sein Kind taufen. „Ist ja tiefstes Mittelalter“, war sein Kommentar, bezogen auf die übliche Praxis, dass das eigentlich nur Priester und Diakone machen. Menschen sind eben oft schon „so weit weg“, dass sie sagen: „Ach, das geht noch gar nicht bei euch?“
Ansonsten habe ich auch große Wertschätzung erfahren. Und manchmal auch ein bisschen Neid aus anderen Kirchengemeinden: Oh, super, bei euch gibt es das schon, bei uns noch nicht. Das hätten wir auch gerne. Und die Leute hier vor Ort geben da auch schon gerne mit an. Dass sie erzählen: Ja, bei uns taufen jetzt auch Ehrenamtliche. Und die Osternacht machen die auch selbst.
Santel: Ich wurde auch schon gefragt: Wie wird man denn das und was muss man machen? Also das Interesse, sich hier zu engagieren, ist schon da.
Sie sind Hebamme, Frau Santel. Dass passt die Beauftragung zur außerordentlichen Taufspenderin ja auch sehr gut …
Santel: Aktuell begleite ich zwar leider keine Geburten, aber ich begleite die Frauen schon in der Schwangerschaft, im Wochenbett und im ersten Lebensjahr des Kindes. Und da ist die Taufspendung schon das i-Tüpfelchen im Zusammensein mit der Familien.
Wenn ein Elternpaar oder eine alleinerziehende Person zu Ihnen kommt und fragt: „Warum soll ich mein Kind überhaupt taufen lassen?“ Was antworten Sie dann?
Becker: Ich würde nie darauf eine Antwort geben. Ich würde erstmal sagen. „Das ist jetzt wirklich eine interessante Frage. Haben Sie eine Idee? Sie wären ja sonst gar nicht hier.“ Frei nach dem Motto: Die Eltern, die kommen, bewegt irgendetwas. Und da ist meine Aufgabe nicht, eine Antwort zu geben, sondern wenn ich mutig genug bin, zu schweigen und Fragen auszuhalten.
Und natürlich macht der Ton die Musik. Ich kann überheblich, von oben herab, sagen: „Ja, das fragen sie sich mal selber. Sollte ihnen eigentlich schon klar sein, wenn sie hierherkommen, warum sie ihr Kind taufen lassen wollen.“ Ich kann aber auch den, der fragt, im Blick haben und auch auf seine Intention schauen – ist es provokativ gemeint oder ist die Person unsicher?
Santel: Die Menschen haben ja vorher schon Gedanken dazu gehabt. Warum soll man Ihnen das ausreden? Viel interessanter ist, zu fragen: Was sind eure Hintergründe? Was ist eure Motivation hierherzukommen? Warum wollt ihr das Kind taufen lassen? Und den Menschen dann zuzuhören und gemeinsam mit ihnen zu überlegen, was gut für das Kind ist.
Becker: Wenn wir als Vertreterinnen und Vertreter der Kirche ihnen etwas sagen, soll es ehrlich sein. Die Leute wollen nichts Aufgesetztes, nichts Auswendiggelerntes. Keine unverständliche Einheitssprache – das gilt im Übrigen auch für die Sprache im Gottesdienst.