Eine ganz besondere Sommerbegegnung

Bibel auf einem Holztisch
Bild: unsplash.com, Aaron Burden

Unter den vielen regelmäßigen Sommerbegegnungen ragt eine heraus, die ich mir möglichst jedes Jahr gönne, die mir aber wegen der Corona-Pandemie länger nicht vergönnt war: die Internationale Jüdisch-Christliche Bibelwoche in Haus Ohrbeck. Jüdische und christliche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vertiefen sich sehr intensiv in das gemeinsame Hören auf die Heilige Schrift und bereichern sich gegenseitig durch Auslegungen und Dialoge, die den Sinn der Texte erforschen, aber auch deren Bedeutung für unser alltägliches Leben und für unser interreligiöses Miteinander. Natürlich spielen gottesdienstliche und gesellige Feiern auch eine große Rolle zur ganzheitlichen Begegnung in den Bibelwochen. Leider kann ich meistens immer nur einen Nachmittag dabei sein.

Dieses Mal erlebte ich einen geist-reichen Vortrag einer Wissenschaftlerin aus Bonn, die ich aus meiner Studienzeit zur Promotion in den achtziger Jahren dort kenne: Eva-Martina Kindl. (Sie stammt aus Paderborn!) Sie überraschte mich mit ihren hervorragenden Ausführungen und weckte in mir viele Erinnerungen an meine Bonner Zeit 1983 bis 1986.

Internationale Jüdisch-Christliche Bibelwoche: In einem geist-reichen Vortrag ging es um die letzten Verse des Buches Hiob.

Gegenstand ihres Vortrags waren die letzten Verse des Buches Hiob, dieses besonderen Buches über Gott und das Leid. An der Übersetzung und Auslegung dieser Verse hängt das ganze Verständnis dieser besonderen biblischen Erzählung. „Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen“, sagt Hiob am Schluss zu Gott (Hiob 42,5). Er hat durch sein Leiden und seinen Streit mit Gott eine neue und tiefe Erfahrung gemacht. Dann fügt er an: „Darum nehme ich damit Genügen, aber ich bin getröstet über Staub und Asche“ (Hiob 42,6). Andere übersetzen: „…ich bereue in Staub und Asche.“ Daran hängt die Frage: Sind unsere Leiden Strafe für unsere Sünden, oder lassen sie uns auf vertiefte und letztlich ungelöste Weise den immer noch anderen und größeren Gott erfahren?

Franz-Josef Bode ist unser Bischof und Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Seit 2010, damals als erster deutscher Bischof, schreibt Bode in unserem Bistumsblog über Begegnungen und Gedanken aus seinem bischöflichen Alltag.

Beide Übersetzungen entlassen uns mit dem Staunen über einen Gott, „der größer ist als unser Herz“ (1 Joh 3,20; mein bischöflicher Wahlspruch), auch wenn es uns anklagt, und mit dem weiteren Ringen mit der Unergründlichkeit seiner Wege, die den Menschen auch „über Staub und Asche trösten“ können.

Ein sehr nachdenklicher, spannender und bereichernder Nachmittag in der Begegnung mit einer alten Bekannten, der mir wieder einmal zeigt, wie wertvoll die (gemeinsame) Beschäftigung mit der Bibel ist.