Eine magische Auszeit
Es ist heiß. Die Sonne brennt durch die Ritzen des Helms auf der Kopfhaut, die Beine werden immer schwerer und dann ist auch noch die Wasserflasche fast leer. Radeln auf dem eigentlich wunderschönen Weserradweg kann auch anstrengend sein. Nach vielen Kilometern will der Körper eine Pause, und zwar bald. Wann kommt endlich das nächste Etappenziel?
Laut Karte soll es nicht mehr weit sein. Und tatsächlich – die Erlösung ist nahe. Nach einer letzten Straßenkurve öffnet sich den von Wind und Staub mitgenommenen Augen ein überraschender Anblick: Mitten in den Feldern und Wiesen mit wilden Blumen erheben sich plötzlich uralte Klostermauern und ein hoher Kirchturm. Ich wusste, dass der Weserradweg an Kloster Bursfelde vorbeiführen würde. Aber jetzt war ich doch geflasht – ein magischer Moment.
Über die Autorin
Daniela Engelhard ist Leiterin des Forums am Dom in Osnabrück. Bei der Arbeit in dieser Einrichtung der Citypastoral kommt sie mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Von Erlebnissen und Themen, die sie bewegen, berichtet sie in ihren Blogbeiträgen.
Nach so viel Unterwegssein und In-die-Pedale-Treten auf einmal ein Ort, der mich sofort in seinen Bann zieht. Schon von außen strahlt das alte Mauerwerk Ruhe und Beständigkeit aus und lockt mich, durch die alte Holztüre einzutreten. An der Schwelle zu dem beeindruckenden romanischen Kirchenraum packt es mich endgültig. Was für ein Ort! Was für eine Klarheit – die kräftigen, fast trutzigen Säulen unter den schlichten Rundbögen, die hohe Holzdecke, die Kreuzigungsgruppe hinter dem Altar.
Der Raum strahlt Geborgenheit, Gelassenheit und eine starke Kraft aus. Ja, es ist ein ganz besonderer Kraftort. Und ich spüre den spirit zwischen den alten Mauern. Wie viele Menschen mögen hier seit Jahrhunderten innegehalten und gebetet haben? In Worten, stillen Gesten, flehenden Bitten und leisem Dank. Freude, Kummer und Tränen – mit alldem werden Menschen hier seit Jahrhunderten einen Ort gefunden haben. Kloster Bursfelde wurde im 11. Jahrhundert als Benediktinerkloster gegründet. Heute ist es ein Geistliches Zentrum der Evangelischen Landeskirche Hannovers, das Pilgernden ein Dach und Suchenden eine spirituelle Auszeit bietet.
Nach einer Pause in der wohltuenden Kühle des Klosters durchwandere ich die Kirche wie ein unbekanntes Terrain. Immer wieder öffnen sich Türen in neue Räume. Hier eine Seitenkapelle, dort ein zweiter großer Kirchenraum, hier eine geheimnisvolle Nische, dort ein alter Taufbrunnen … Eine ganze Landschaft spiritueller Kostbarkeiten lädt ein, den eigenen passenden Platz zu finden. Mit jedem Atemzug atme ich die Stille und den Geist dieses Ortes ein. Noch Stunden könnte ich mich hier aufhalten. Aber das Fahrrad wartet und mit ihm die zweite Hälfte der Tagesetappe. Erfüllt und fasziniert verlasse ich Kloster Bursfelde und steige wieder aufs Rad. Mit im Gepäck habe ich nun eine große Portion Energie und die dankbare Erinnerung an diesen magig moment.