Es gibt keine Insel der Seligen
Am 27. Januar ist der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Ich muss an das Buch „Die Schule am Meer“ von Sandra Lüpkes denken. Ich habe diesen großen Roman in den vergangenen Wochen gelesen. Es geht um eine reformpädagogische Schule auf der Nordseeinsel Juist in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Obwohl ich schon häufig auf der Insel war, habe ich von dieser Schule am Meer jetzt erst gelesen. Sie wurde später von den Nazis geschlossen.
Acht motivierte und qualifizierte Pädagogen wählten bewusst eine Insel aus, um neun Jahre lang dieses Schulprojekt zu gestalten. Dann machten sich Antisemitismus und Nationalsozialismus auch auf der Insel Juist breit. Der Schulleiter war kein politischer Naivling, sondern forcierte den Prozess, die Schule judenfrei zu positionieren. Er wollte die Schule retten, indem er sie zu einer Nazi-Schule machte.
Über den Autor
Theo Paul ist Domkapitular und unter anderem für die Krankenhäuser, Klöster und geistlichen Orte im Bistum Osnabrück zuständig. In seinen Blogbeiträgen greift er gerne aktuelle Themen auf.
Beim Lesen des Romans sind mir immer wieder die Straßen und Häuser, die Dünen und Strandabschnitte vor mein inneres Auge gekommen. Der Roman macht deutlich: Es gibt keine faschismusfreie „Insel“. Der Antisemitismus kommt schon in den 20er Jahren nach Juist und breitet sich Jahr für Jahr stärker aus. Der Prozess ist zunächst schleichend. Er wird etwa auch von dem evangelischen Pastorenehepaar der Insel vorangetrieben und unterstützt. In den vielfältigen alltäglichen Schulabläufen zeigt sich immer deutlicher die Ausbreitung des Nationalsozialismus.
Dieser Roman zeigt auch für die heutigen kontroversen Diskussionen deutlich: Es gibt keine „Insel der Seligen“. Über kurz oder lang erreichen alle Konfliktlinien auch die kleinste Insel am Rande der Welt. Es lohnt sich nicht, vor Problemen weglaufen zu wollen. Sie werden uns einholen.
Eine realistische Haltung ist: Stellen wir uns hier und heute den Herausforderungen. Stellen wir uns auch der Realität des Antisemitismus. Gestalten wir diesen Gedenktag!
DANKE für den Blog-Eintrag über die „Schule am Meer“, Auch ich lese dieses Buch zur Zeit und bin sehr aufgestört durch das, was sich da in so früher Zeit ereignete. Beim Lesen fühle ich mich wie bei einer Gratwanderung: zugleich im Damals und im Heute – und es rüttelt auf, JETZT aufmerksam zu sein und mutig!
Ich habe dieses Buch eigentlich gelesen, weil ich eine Zeit lang auf Juist gelebt habe, deshalb die Insel sehr gut kenne und auf dieses Buch neugierig war. Die Schule war mir ein Begriff, obwohl Insulaner nicht gerne darüber sprachen, viele der Personen oder deren Nachfahren sind mir noch bekannt. DAs Buch hat mich sehr berührt und ich denke, das man die Örtlichkeit auf viele andere Orte übertragen könnte. – Ja, es gib keine Insel der Seligen, irgendwann, irgendwo wird man eingeholt vom „Zeitgeist“, von Theorien, von Problemen, falschen Versprechungen usw. Da hilft es nur uns den Dingen zu stellen und eine klare Position zu beziehen.